Historische Silbermünzen

Aus MGM Münzlexikon

Historische Silbermünzen als Sammelgebiete

Münzen sammeln hat viele Erscheinungsformen, eine der schönsten ist das Anhäufen von Wert. Wer das nicht durch den Erwerb teuerer numismatischer Raritäten erreichen will, kann sich viel Freude mit Edelmetall-Münzen machen, besonders mit Silbermünzen, die aus dem meistbenutzten Münzmetall aller Zeiten bestehen, von König Kroisos von Lydien, dem legendären Erfinder des Münzgeldes, bis heute.

Eine Kaiserin geht um die Welt – der Maria-Theresia-Taler
Wohl jeder kennt den „Maria-Theresia-Taler“, der gern zu besonderen Anlässen verschenkt wurde und wohl heute noch verschenkt wird. Die deutsche Kaiserin Maria Theresia von Habsburg hat der Welt damit vielleicht ihr schönstes, jedenfalls dauerhaftestes Geschenk gemacht, denn der Taler wird von 1780, damals zuerst im vorderösterreichischen Günzburg an der Donau, bis heute in Wien, Bombay und anderswo mit dem gleichen Bild geprägt, in mehreren Hundert Millionen Stück. Der Taler entspricht im Wert einem Zehntel der alten Kölnischen Gewichtsmark von 233,8 gr. Silber fein, festgelegt durch die Münzkonvention zwischen Österreich und Bayern 1753. In Österreich galt er bis 1858 als offizielles Zahlungsmittel, in Afrika und Asien war er bis weit ins 20. Jahrhundert überaus beliebt.


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Das spanische 8-Reales-Stück, das Vielnamige: Peso de à ocho, Piaster, „Colonnato“
Der Quell allen monetären Reichtums in der Neuzeit lag in den Silberminen von Potosí in Bolivien, auf 4000 m Höhe gelegen. Sie waren zweieinhalb Jahrhunderte, bis ca, 1800, die größte Silbermine des spanischen Weltreichs, wenn auch in den mexikanischen Minen von Guanajuato, Zacatecas und anderswo dort insgesamt mehr Silber zutage gebracht wurde. Das dort, besonders in Potosi unter unmenschlichen Bedingungen, geförderte Edelmetall war das Blut im Kreislauf der Weltwirtschaft.
Heute noch sind sehr viele 8-Reales-Stücke der spanischen Könige, die harte und beständige Weltwährung (27,07 Gramm, 917er, später auch 896er Silber), wie von Karl III., Karl IV. und Felipe IV. im Münzhandel zu erwerben. Die Münzen zeigen jeweils das Bild des Monarchen, auf der anderen Seite das spanische Wappen mit den beiden Säulen des Herkules beidseits, wonach er auch „Colonnato“, Säulentaler, genannt wurde. Als Mexiko 1810 unabhängig wurde wurden die 8-Real-Stücke weiter mit beständigem Gewicht und Feinheit („10 Dineros 20 Granos“ = 0.903) geprägt. Das Design von Wappenadler und von Freiheitsmütze vor Sonnenstrahlen wurde von 1825 bis 1897 beibehalten. Von 1898 bis 1909 wurde das gleiche Stück als 1 Peso weitergeprägt, nachdem bereits Kaiser Maximilian von Mexiko den Peso als Nominal eingeführt hatte. All diese Silberstücke sind in großer Menge hergestellt und liefen bis nach China, dem Schwarzen Loch des Silbers der Welt, wo sie häufig mit eigenen Prüfmarken versehen wurden. Für den an Geldgeschichte interessierten Sammler tut sich hier ein weites Feld auf.


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„26.7“ – Der Dollar und seine Vettern
Der US-Dollar ist ein enger Verwandter des spanischen Piaster, er wiegt aber etwas weniger: 26,7 Gramm bei 0.900 Silbergehalt. Das $-Zeichen wurde zuvor schon für den spanischen Peso verwendet, und spanische und mexikanische Pesos liefen als Kurant-Geld in den Vereinigten Staaten von Nordamerika um. Die USA führten erst in den 1790er Jahren eine eigene Münzserie ein, die heute sehr selten ist, doch die Prägung von Dollar-Münzen blieb immer hinter der von Halfdollars zurück, selbst der „Seated Liberty Dollar“ von Christian Gobrecht, der von 1840 bis 1873 ausgebracht wurde, brachte es zu keinen hohen Prägezahlen. Von 1873 bis 1878 wurde dann ein Trade Dollar, der nur für den Außenhandel vorgesehen war, ausgeprägt.
Der Dollar hingegen, den George T. Morgan 1878 entwarf, war ein großer Wurf und eine sehr bedeutende Silbermünze (siehe Abbildung oben). Morgan (1845-1925) war erst 1876 aus Birmingham (England) in die USA gekommen, doch sein Entwurf von großer Geschlossenheit und Schönheit sollte das Aussehen des amerikanischen Geldes auf lange Zeit bestimmen; sein Dollar gehört in jede Münzsammlung. Der Morgan-Dollar wurde jährlich millionenfach geprägt, obgleich die Regierung zunächst kein solch unhandliches Stück mehr in Umlauf bringen wollte, nachdem die deutschen Staaten ihre Silberwährungen aufgegeben hatten und der Silberpreis fiel und fiel. Der Morgan-Dollar, bis 1904 geprägt und 1921 nochmals aufgelegt, kostete den Staat viel Geld zur Wahrung des Bimetallismus. Im Jahr 1921 wurde er ersetzt durch ein neues Design von Anthony DeFrancisci, durch den „Peace Dollar“, auch er ein ästhetisches Meisterwerk. Hier sitzt der Adler, das Wappentier der USA, ruhig auf einem Felsen, einen Ölzweig in den Fängen, Symbol der befriedeten Welt. Nicht minder Meisterwerke sind die Half Dollars „Walking Liberty“ (1916-1947) und „Franklin“ (1948-1963), die mit entsprechendem Gewicht und gleichem Feingehalt ausgebracht wurden. Es ist sehr erstaunlich, wie die USA über 170 Jahre Silberwährung mit konstantem Gewicht und Feingehalt geprägt haben. „26.7“ ist auch ein Markenzeichen für Länder, die sich wirtschaftlich eng an die USA anschlossen: Cuba, die Dominikanische Republik. Beide Länder brachten das „26.7“ auf die Dollars selbst, Cuba bis 1953, die Dominikanische Republik seit 1937, sogar auf Kupfer-Nickel-Münzen.


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Der französische Franken und seine Gefährten
Der französische „Franc“ ist ein Kind der Französischen Revolution, er löste 1795 den Livre ab und wurde die erste Dezimalwährung Europas. Der Franc wurde nicht nur als Nominal dezimal – er wurde in 100 Centimes eingeteilt, er lehnte sich auch im Gewichtssystem an das als Gewichtsnorm neu eingeführte Kilogramm zu 1000 Gramm an. Das 5-Franc-Stück, die künftige Kurant-Münze Europas, wog 25 Gramm und bestand aus 900/1000 feinem Silber. Napoleon Bonaparte brachte den Franc in die von ihm eroberten Länder, wo er Republiken nach revolutionärem Vorbild errichtete, nach Italien und in die Schweiz. Der in den folgenden Jahrzehnten einsetzende Siegeszug des französischen Franc war wohl auf die einfache Dezimal-Berechnung des Silberwertes zurückzuführen, leichter zu handhaben als das Duodezimal-System des bis auf die Karolingerzeit zurückreichenden englischen Währungssystems und als das vielfältige Münzwesen der deutschen Staaten, das auf der Kölnischen Mark von 233,8 Gramm beruhte.

Am 23. Dezember 1865 schlossen sich Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz zur „Lateinischen Münzunion“ zusammen, Länder, die schon zuvor den Franken als Richtschnur für ihr eigenes Kurantgeld eingeführt hatten. Das 5-Franken-Stück und die Goldmünzen hatten Gültigkeit im gesamten Währungsgebiet. Das Franken-System war bimetallisch; das Verhältnis zwischen Gold und Silber war 1:15,5. Diese Grundgegebenheit führte später durch die sich verschiebenden Preise für Edelmetalle zum Niedergang der Union, war ihr Konstruktionsfehler. Bis zum Ersten Weltkrieg übernahmen immer mehr Länder Europas das Kurantsystem der Münzunion, es kam schließlich bis nach Belgisch-Kongo und Venezuela – 1926 wurde die Union endgültig aufgelöst, nachdem der Geldbedarf der Staaten im Ersten Weltkrieg ein Währungssystem aus Edelmetallen unbrauchbar werden ließ.

Für den Sammler ist die Lateinische Münzunion ein Gebiet von großem Reiz: Er kann werthaltige Silbermünzen vieler europäischer Staaten zusammentragen, taucht tief in die europäische Währungs- und Wirtschaftsgeschichte ein und kann in der politischen Geschichte manche Parallele zu unserer heutigen Welt ziehen. Der französische Kaiser Napoleon III. bekannte unverblümt, die Lateinische Münzunion als Instrument zur „Hegemonie über Kontinentaleuropa“ zu benutzen.

Deutsche Taler des 19. Jahrhunderts
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem Ende des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und dem Bankrott der meisten deutschen Staaten durch die Verwicklungen in Napoleons politisches System waren neue Währungsvereinbarungen angesagt: Ziel war eine Modernisierung der Wirtschaft in Deutschland durch Abschaffung von Binnenzöllen und durch die Vereinheitlichung von Maßen, Gewichten und Währungen. Nach dem Wiener Kongress gab es vier dominierende Währungssysteme: den preußischen 14-Taler-Fuß (irreführend „Reichsthaler“ genannt), den sächsisch-österreichischen 10-Taler-Fuß (den „Conventionsthaler“) und den 24 bzw. 24 ½ Gulden-Fuß (sogenannte „Convention Rheinisch“) der süddeutschen Staaten nach der Kölnischen Mark; die norddeutsche Schilling-Währung der Hansestädte Lübeck und Hamburg lief nach einem eigenen System. Im Jahre 1837 beschlossen die süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau) in München, ihre 24 ½ Gulden-Währung mit dem preußischen Taler im Verhältnis 1 ¾ :1 in Beziehung zu setzen, ein Jahr darauf wurde in Dresden die Prägung von gemeinsamen Münzen in 1 und 2 Gulden und 2-Taler-Stücken beschlossen, weitere Staaten (Preußen, Sachsen, die sächsischen und thüringischen Kleinstaaten) schlossen sich dieser reinen Silber-Währung an. Alle Länder des 1833/34 neugegründeten Zollvereins schlossen sich hier währungspolitisch zusammen.

Preussen, Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861), 2 Taler – 3 1⁄2 Gulden 1856 nach dem Dresdner Münzvertrag.
Bayern, Ludwig I. (1826-1848), 3 1⁄2 Gulden – 2 Taler 1839 nach dem Dresdner Münzvertrag.

Das Zwei-Taler-Stück hatte den Wert von 3 ½ Gulden – und den Wert einer Flasche Champagner, weshalb es auch „Champagnerthaler“ genannt wurde. Die Gulden und 2-Taler-Münzen sollten eine einheitliche Wertseite mit einem Eichenkranz tragen, doch Preußen brachte gleich mit dem ersten Jahrgang sein prachtvolles Staatswappen auf die Münze. König Ludwig von Bayern, der sich an den Eichenkranz gehalten hatte, zog erbost nach und setzte ebenfalls sein Staatswappen auf die „Champagnerthaler“. Zwanzig Jahre nach dem Münchner Vertrag setzten die deutschen Staaten 1857 in Wien einen neuen Währungsvertrag auf, nachdem bis 1854 fast alle deutschen Staaten (außer den Hansestädten, Schleswig, Holstein und Mecklenburg) dem Zollverein beigetreten waren; auch das Kaiserreich Österreich trat (bis 1866) dem Wiener Münzvertrag bei. Die Kölnische Mark wurde durch das „Zollpfund“ von 500 Gramm als Gewicht ersetzt, 30 Taler wurden aus einem Pfund Feinsilber geprägt. Der Dresdner und der Wiener Münzvertrag brachten eine schier endlose Fülle von Regentenportraits und Wappen in die Welt. Nehmen wir allein Hessen als Beispiel: es gab ein Großherzogtum (H.-Darmstadt), ein Kurfürstentum (H.-Kassel) und eine „Souveräne“ Landgrafschaft (H.-Homburg), letztere erst 1815 souverän geworden, 1866 an Hessen durch Aussterben der Linie und sogleich nach verlorenem Krieg an Preußen abgetreten.

Dieser kurze Abriss, der nur die währungspolitische Hauptlinie der bis 1871 gültigen Silberwährungen Deutschlands zeichnen konnte, lässt schon den Reichtum an Prägungen erahnen, die dem Sammler entgegenkommen. Gebändigt hat diese Fülle der wunderbare Katalog von Paul Arnold, Harald Küthmann und Dirk Steinhilber („AKS“): Großer deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute, der 1970 erstmals erschien und heute (2021) in 36. Auflage (!) in der Bearbeitung von Dieter Faßbender vorliegt, reich ausgestattet mit immer verbesserten Bildern, Prägezahlen und aktuellen Bewertungen. Der Sammler und der Historiker finden hier in einem Band historische, statistische, währungspolitische und höchst schätzenswerte heraldische Informationen versammelt wie nirgends sonst. Vorgearbeitet hatte diesem Grundwerk für den Sammler die Reihe der zwölf Einzeldarstellungen zum Münzwesen der deutschen Staaten vor 1871, die der anderwärts gepriesene Kurt Jaeger verfasst hat, handliche Bände, die längst vergriffen sind. Ebenso das folgende für Sammler und Händler unentbehrliche Referenzwerk von Norbert Thun: Deutsche Taler, Doppelgulden, Doppeltaler von 1800 bis 1871, 3. ergänzte Auflage 1979 (zuerst 1974). Thun hat alle großen Silbermünzen (Kurant) beschrieben und mit Prägezahlen versehen; die Klarheit und Einfachheit seines System führte dazu, dass sein Buch zum Zitierstandard wurde für die „Thun-Taler“. Der Handel bietet immer wieder diese bei Sammlern sehr beliebten Taler in gutem bis sehr gutem Zustand an; die häufigeren liefen noch bis 1908 im Wert von drei Mark im deutschen Kaiserreich um, während die Taler der kleinen Staaten schon bald als historisch wertvolle Stücke den Weg in die Sammlungen fanden.

Markus Wesche