Johann Jakob Scheuchzer

Aus MGM Münzlexikon
Version vom 29. Juni 2021, 17:35 Uhr von Indexadmin (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Dieser Artikel ist auch im PDF-Format - komplett und mit Abbildungen - verfügbar: Pdf20.gif Johann Jakob Scheuchzer


Johann Jakob Scheuchzer
Die Physica Sacra - ein naturwissenschaftlicher Gottesbeweis?
Claudine Walther

Die Münzgalerie München konnte vor einiger Zeit einige schöne alte Graphiken erwerben, die insbesondere durch ihre Darstellungen so mancher bekannter, aber auch einiger eher unbekannter Münzen auffallen und erfreuen. Die Nachforschungen ergaben, dass diese Graphiken aus einem Werk des Johann Jakob Scheuchzer stammen. Ganz kurz sollen daher Leben und Werk Scheuchzers sowie besagte Graphiken vorgestellt werden, die nun auch bei der Münzgalerie München zum Verkauf stehen. Biographisches Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) war einer der bekanntesten Schweizer Mediziner und Naturwissenschaftler des beginnenden 18. Jahrhunderts. Bekanntheit erlangte er jedoch nicht durch seine medizinischen Leistungen, seiner eigentlichen ‘Profession’, sondern vielmehr durch seine botanischen Studien, insbesondere hinsichtlich seiner Schweizer Heimat. Er gilt sogar als Pionier der wissenschaftlichen Alpenforschung des 18. Jahrhunderts1. Scheuchzer wurde am 2. August 1672 als Sohn eines Stadtarztes in Zürich geboren, in eine Zeit hinein, in der die Naturwissenschaft noch stark an die Theologie gebunden war und erst langsam ihren eigenen Weg beschritt2. Nach einem Studium nicht nur der Medizin, sondern auch der Botanik, Mathematik und Astronomie in Altdorf bei Nürnberg und in Utrecht 1692-1695 promovierte er in Utrecht 1694 in den medizinischen Wissenschaften. Ein Jahr später erhielt er seine erste Anstellung als Zweiter Stadtarzt und Waisenhausarzt von Zürich. 1697 wurde er Kurator der Bürgerbibliothek und zugleich Verwalter der städtischen Kunst- und Naturalienkammer3.

In den Jahren von 1694 bis 1711 unternahm Scheuchzer zwölf mehrwöchige Reisen zur Erforschung der Alpen, während derer er unter anderem auch barometrische Höhenmessungen und metrologische Beobachtungen anstellte4. Die Ergebnisse publizierte er 1708 in der Itinera alpina in lateinischer Sprache5. Seine Erkenntnisse zur Schweizer Naturgeschichte wollte er jedoch nicht nur einem gebildetem Fachpublikum zugänglich machen, sondern auch der Allgemeinheit erschließen, und so gab er seit 1705 die deutschsprachige Zeitschrift Seltsamer Natur-Geschichten des Schweizerlandes heraus6.

Im Jahre 1712 fertigte Scheuchzer die bis ins 19. Jahrhundert maßgebliche Gesamtkarte der Schweiz als Nova Helvetiae tabula geographica an, die auf seinen weitläufigen Forschungsreisen basierte. Sie wurde mehrfach nachgestochen. Die Verbreitung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auch für das ‘kleine’ Volk war ihm so wichtig, dass er schon 1701 eine Abhandlung über die Naturwissenschaft als Physica oder Naturwissenschaft in deutscher Sprache veröffentlichte7. Basis seiner Ansichten war die Gotteslehre, die er auch den Naturwissenschaften unterlegte. Seinem Interesse für Fossilien und Mineralien gab er 1702 in der Abhandlung Specimen lithographiae Helvetiae curiosae Ausdruck8. Grundlegend für seine Untersuchungen war die ‘Sintfluttheorie’, die ein erstes Stratifikationskonzept der Gesteinsschichtungen bot und Fossilien als versteinerte Überreste einstiger Tiere und Pflanzen erkannte und erklärte: während der Sintflut seien diese Tiere und Pflanzen bis in die höchsten Berge hinaufgetragen worden9. In dem 1709 herausgegebenen Herbarium Diluvianum stellte er fossile Pflanzenabdrücke und Versteinerungen seiner Sammlung bildlich in Kupfertafeln dar und versuchte zugleich den Verlauf der Sintflut chronologisch zu erklären10. Das Museum Diluvanium von 1716 enthielt den Katalog seiner Fossiliensammlung. Ein versteinertes Skelett schließlich interpretierte Scheuchzer als Überreste eines der damaligen in der Sintflut umgekommenen Menschen und nannte es daher Homo diluvii testis (‘der die Sintflut bezeugende Mensch’). Dieses stellte sich später als Fossil eines Riesensalamanders heraus, welcher Johann Jakob Scheuchzer zu Ehren Andrias Scheuchzeri (‘der Mensch Scheuchzers’) genannt wurde. Trotz solcher aus heutiger Sicht gewaltigen ‘Schnitzer’ gab Scheuchzer mit seiner Forschung wichtige Impulse für die Paläontologie: Fossilien wurden nun mit lebenden Organismen verglichen und nicht mehr nur als Steinfiguren abgetan. Wenn sein Name auch heute nicht mehr so geläufig sein mag, Scheuchzer selbst war seinen Zeitgenossen (u. a. Gottfried Wilhelm Leibniz und Isaac Newton, mit denen er in Schriftkontakt stand) ein bekannter Gelehrter und genoss internationale Anerkennung. 1710 etwa erhielt er einen Lehrauftrag für Mathematik am Collegium Carolinum in Zürich, aus politischen Gründen11 jedoch erlangte er erst spät seine persönlichen Lebensziele: nämlich 1733, wenige Monate vor seinem Tod, die Stellung als Erster Stadtarzt von Zürich sowie die Physikprofessur am Collegium Carolinum12. Sein Versuch der wissenschaftlichen Exegese der Heiligen Schrift13 verdeutlicht sich in der Iobi Physica Sacra von 1721 und insbesonders in der vierbändigen Physica Sacra oder sogenannten ‘Kupferbibel’, die 1731-1735 in Augsburg und Ulm publiziert wurde. Letztere, sein Hauptwerk, erschien nicht nur auf Latein und Deutsch, sondern sogar auf Französisch und Niederländisch. Darin wollte er die Naturwissenschaft vortheologischen Angriffen absichern und zugleich die Theologie durch Naturwissenschaft untermauern14. Johann Jakob Scheuchzer erlebte jedoch die Vollendung seiner Kupferbibel nicht mehr, denn er starb am 23. Juni 1733. Seine Zeitgenossen anerkannten den wissenschaftlichen Wert der Physica Sacra vor allem auch wegen der zahlreichen Tier- und Fossiliendarstellungen15, und auch Scheuchzer selbst sah seine naturwissenschaftliche Erklärung der Bibel denjenigen der geisteswissenschaftlichen Disziplinen ebenbürtig: “Suos habent, et insignes, pro explicando Sacro Codice usus Philologia, Historia, Politica ita et Physica, Mathesis, Medicina”16.

Die Physica Sacra Die Kupferbibel trägt ihren Namen nicht ohne Grund: das über 2000seitige Werk wird durch 750 Bildtafeln von großer handwerklicher Qualität illustriert. Mittelpunkt der Tafeln war die bildhafte Veranschaulichung von Informationen, die zum Verständnis und zur Beglaubigung der Bibel beitragen sollten17. Scheuchzer hatte seine Physica Sacra so aufgebaut, dass er seinem Text eine Bibelstelle als Thema zugrunde legte und anhand derer ein kleines Kapitel verfasste, welches er mittels vieler weiterer Bibelstellen und Zitate aus anderen Werken, seien es antike Schriftsteller wie Plinius oder aber zeitgenössische Wissenschaftler, ausschmückte und so mehrere Meinungen einander gegenüberstellte18. Diesem Zweck der Veranschaulichung dienten auch die Kupferstiche

Die 750 Kupferstiche der Physica Sacra sind von Augsburger und Nürnberger Künstlern, insbesondere Johann August Corvinus, Jakob Andreas Fridrich, Martin Tyroff, Johann Georg Pinz und Georg Daniel Heumann19, gestochen worden. Die Illustrierung der Kupferbibel übernahm der Zeichner und Radierer Johann Melchior Fueßli (1677-1736) ganz nach Scheuchzers Vorstellungen. Die vielen verschiedenen Bordüren und Rahmen hingegen wurden von dem Nürnberger Künstler Johann Daniel Preißler (1660-1737) entworfen. Jede Bildtafel hat einen singulär gestalteten Rahmen, dabei wechseln sich die mit Strichrahmen umfassten Illustrationen mit reich dekorierten Rahmen ab, sodass die Einfassungen zu einem besonderen Merkmal der Kupferbibel werden20. Sie können zudem ihrem Zweck nach in informative oder auch einfach nur dekorative Einfassungen eingeteilt werden. Während Fueßli die Bildelemente strikt nach den Vorgaben ordnete und auch teilweise zusätzliche Informationen und Erläuterungen in den Rahmen- bzw. Randbereich setzte, hatte die endgültige Rahmensetzung jedoch bei Preißler keinen weitergehenden

wissenschaftsdidaktischen Anspruch wie bei Fueßli21. Die Umrahmungen und Nebenbilder bezogen sich dabei nicht nur symbolisch auf das Hauptbild, sondern nahmen das Thema buchstäblich auf22. So zeichnete Fueßli weitere informative Elemente an den Rand oder um das Bildfeld als Ergänzung der szenischen Darstellung, während Preißler das Bildthema bei der dekorativen Rahmengestaltung wieder aufnahm und alltägliche Gegenstände in die ornamentale Gestaltung einsetzte23. Die Rahmen hatten also die Funktion, die Informationen durch verschiedene Bildebenen zu strukturieren, und steigern durch ihre dekorative Vielfalt die Attraktivität für Graphiksammler24. So sind heute neben den kostbaren Exemplaren der Physica Sacra auch einzelne Blätter der 750 Kupferstiche im Umlauf. Die Münzgalerie München hat einige solcher Graphiken erworben, die im Folgenden nicht nur kurz vorgestellt, sondern auch zum Verkauf angeboten werden sollen. Die Verkaufspreise sind jeweils bei den Abbildungen angegeben, die Abmessungen betragen 35x22 cm (mit Passepartout 45,5x34 cm).

Der Tabula CIII stellte Scheuchzer die Bibelstelle über den Verkauf des Joseph nach Ägypten voran und leitet seine Abhandlung daher mit einem Auszug aus dem Buch Genesis 37,25 ein. Das Bild zeigt eine Karawane, die einen schmalen Bergpfad entlang zieht. Dies soll die Karawane der Ismaeliten aus Gilead darstellen, an die Joseph von seinen Brüdern verkauft wurde. Der Rahmen der Graphik zeigt nicht nur dekorative Elemente wie Fruchtranken, sondern auch informative

Zusatzelemente wie etwa die Randfigur des Knaben und die Darstellung einiger Münzen25. Nach Scheuchzers erklärenden Worten stellt der Knabe einen Isis-Priester dar, ebenso seien die Münzen ägyptischen Ursprungs26, die er aufgrund ihrer Darstellungen der Lotusblüte ausgewählt habe. Die erste Münzdarstellung am Scheitel der Bildtafel zeigt auf dem Avers Isis auf einem Krug mit Lotosgebinde (vgl. BMC Alexandria 775) und auf dem Revers eine sitzende weibliche Figur mit einem Kind auf dem Schoß (vgl. BMC Alexandria 1123). Am unteren Rand der Bildtafel werden weitere zwei Münzen jeweils einseitig dargestellt. Die eine zeigt eine auf einem Blütenkelch hockende Gestalt mit Kelle (vielleicht Harpocrates, eine ägyptische Gottheit, die mit dem Schweigen verbunden wurde, vgl. Geißen/ Weber 129), die andere zwei einander zugewandte gekrönte Schlangen (Osiris und Isis mit Lotosgebinden, vgl. BMC Alexandria 845). Vervollständigt wird der Kupferstich, den Johann Adam Delsenbach gestochen hat, durch einen Auszug aus dem oben erwähnten Bibelzitat aus der Genesis in Latein und in deutscher Übersetzung. Auf der Rückseite der Graphik ist ein weiterer Kupferstich, die Bildtafel DCCXLVII (von Johann Georg Pinz) mit der Darstellung dreier Schlangen sowie eine Textstelle aus Apokalypse 12,7-9.

Die von Catharina Sperling gestochene Tabula CLXVI zeigt eine Berglandschaft, inmitten derer ein Adlernest mit mehreren Adlerküken liegt. Vor dem Hort erkennt man ein Elternteil mit ausgebreiteten Schwingen. Das Bibelzitat aus Exodus (19,4) “Aquila pullos gestans” (‘Der Adler trägt seine Jungen’) verbindet die Darstellung des Bildes mit dem Geschehen um Moses und den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten27. Gott schützt und liebt sein Volk wie der Adler seine Jungen: “Schließlichen aber will ich denen Gelehrten zu beurtheilen überlassen, ob nicht die bey denen Heyden übliche Vergötterungen, besonders der Kayserinnen oder Princessinnen, oder Erhebungen dero Seelen durch Adler, sich auf diese bishero erörterte Liebe der Adler gegen ihre Jungen beziehe, so viel ist ohne meine Anzeige bekandt daß in den allermeisten Müntz-Cabinets solcherley Vergötterungs-Pfennige anzutreffen, da nebst dem Wort Consecratio ein einiger Adler zu sehen,

oder eine zwischen denen Flügeln hervorschauende und den Arm ausstreckende Menschen Gestalt, oder ein Adler, der über dem Altar oder einem brennenden Scheiter-Hauffen hinfliegt, oder der an den Altar gebunden, über welchen ein Donner-Straal schwebet, oder der einen DonnerPfeil mit denen Klauen fasset. Damit aber diese meine Muthmassung keinen Mangel an Beweißthümern habe, habe ich etliche auserlesene Müntzen an den Rand setzen lassen”28. Der Rahmen wirkt relativ schlicht klassizistisch und zeigt vier Münzen, jeweils zwei oben und zwei unten. Die erste Münzdarstellung zeigt einen Adler mit einer Frauengestalt fliegend sowie die Legende CONSECRATIO. Die dazugehörige Rückseite stellt eine Frauenbüste mit der Legende DIVA AVGVSTA FAVSTINA dar. Das betreffende Vorbild für diese Darstellung war ein Sesterz des Antoninus Pius (reg. 138-161) für seine verstorbene und vergöttlichte Gemahlin Faustina Mater (vgl. RIC III, S. 164, 1134). Die zweite Münze zeigt auf dem Avers eine verschleierte Frauenbüste auf einem Halbmond mit der Legende DIVAE MARINIANAE und auf dem Revers wiederum einen nach rechts fliegenden Adler, der eine Frauengestalt trägt, sowie die Legende CONSECRATIO. Vorbild waren Münzen der Mariniana, der Gemahlin des Valerianus I. (reg. 253-260), der seine verstorbene Gattin deifizieren und zu diesem Anlass mehrere Münzserien prägen ließ (vgl. RIC V.1, S. 64, 3). Am unteren Rahmenteil ist zum einen eine Münze des Licinius (reg. 308-324) mit dem gepanzerten Brustbild des Kaisers und der Legende IMP LICINIVS AVG und auf der Rückseite ein Adler samt Iupiter mit Blitzbündel und Zepter auf dem Rücken sowie der Legende IOVI CONSERVATORI AVG (RIC VII, S. 182, 212) positioniert. Zum anderen findet sich die Darstellung des Valerianus II. (reg. 253-255): auf dem Avers ist sein Brustbild mit der Legende DIVO VALERIANO CAES und revers wiederum ein Adler mit dem Caesar nach rechts fliegend und der Legende CONSECRATIO. Vorbild hierfür war ein Antoninian für Valerianus II. (RIC V.1, S. 117, 9). Solche Darstellungen waren in der römischen Kaiserzeit sehr bedeutend. Die Vergöttlichung der Kaiser und ihrer Angehörigen wurde durch den fliegenden Adler dargestellt, der, als Tier Iupiters, die Deifizierten zum Himmel hinaufflog, als Sinnbild für den Aufstieg der Seele bei der Apotheose.

Im Kupferstich CCXXXV (von Martin Tyroff) wird thematisch das Verbot des Verspeisens von Kaninchen und Murmeltieren behandelt, wie auch die dazugehörige Bibelstelle im Leviticus (11,5), welche Vorschriften über unreine und reine, d. h. essbare, Tiere aufzählt, belegt. Die Graphik zeigt zunächst eine Berglandschaft mit zwei Kaninchen und einem Murmeltier. Passend zum Thema ‘Essen’ hängt vom Bildrahmen ein Banner herab, auf dem neben einer Münze auch ein Magen abgebildet ist. Diese Münze des Hadrianus (reg. 117-138) zeigt auf dem Avers einen Kopf nach rechts mit der Legende HADRIANVS AVG COS III PP und auf dem Revers eine liegende Frauengestalt mit Zweig und Kaninchen sowie der beschreibenden Legende HISPANIA (RIC II, S. 375, 305 und S. 448, 851). Hispania galt als das Land der Murmeltiere, was auf eine Fehldeutung einer phönizischen Geschichte resultiert. Die Phönizier nannten Hispania i-schephannim, da sie die dort lebenden Kaninchen für Schliefer (Murmeltiere) hielten. Später wurde shapan ein anderes Wort für Kaninchen29.

Die von Johann Georg Pinz gestochene Tabula CCCXXVIII zeigt eine Stufenpyramide, auf deren Gipfel zwei Tortürme im Sonnenschein stehen. An ihrem Fuße sind viele Menschen versammelt, die tanzen und beten. Der dazugehörige Bibelvers aus Deuteronomium (4,19) verbietet den “abgöttischen Sonnendienst”, d. h. die Anbetung von Sonne und Mond als gottgleich, die doch von Gott geschaffen seien. Scheuchzer selbst hatte hierfür die Sonnentempel der Maya und Inka vor Augen sowie ihre Menschenopfer für deren Götter. Der mit Blättern und einer Sonnenquadriga geschmückte Rahmen gibt oben wie unten jeweils eine Münzabbildung wieder. Die obere Münzdarstellung zeigt auf dem Avers einen Frauenkopf mit Mauerkrone nach rechts und kann mit der dazugehörigen Legende  als Personifikation der Antiochia erkannt werden. Die Rückseite zeigt einen Widder sowie eine Mondsichel und einen Stern mit der Legende . Ein vergleichbares Stück findet sich bei SNG Kop. 115. Die untere Münze zeigt auf der Vorderseite einen Kopf nach rechts, auf dem Revers einen äsenden Hirsch mit der Legende   . Dargestellt ist hier eine Münze des Mithridates VI. Eupator von Pontos (reg. 120-66) (vgl. SNG Aulock 8).

Die Bildtafel CCCXLV (von Georg Daniel Heumann) zeigt im Hintergrund eine kleine Stadt auf freier Ebene, umgeben von einer Berglandschaft. Im Vordergrund steht eine Gruppe von drei Männern, wobei einer erschreckt die am Himmel fliegenden Vögel beobachtet, während die anderen beiden gebannt an seinen Lippen hängen. Das Bibelzitat aus Deuteronomium (18,10) verbietet die Wahrsagerei und Zeichendeutung, wie es im Bild durch die Augures (Vogelwahrsager) dargestellt wird. Bei den Römern war das lebenslang ausgeübte Amt des Auguren sehr bedeutsam, denn dieser holte die Zustimmung der Götter zu einer beabsichtigten Handlung ein. Als Beispiel für die altertümliche Bedeutung der Auguren ließ Scheuchzer drei Münzen abbilden. Die erste findet sich im oberen Teil des Rahmens. Auf dem Avers befindet sich die für republikanische Münzen typische Darstellung der Roma. Der Revers zeigt eine Spiralsäule mit aeolischem Kapitell, Statue und zwei Glocken. Daneben sind zwei Kornähren und zwei Gestalten, wobei die eine einen lituus (Priesterstab) hält. Die Legende C. AVG verweist auf Caius Minucius Augurinus als Münzmeister (vgl. Crawford 242/1), der hier die Columna Minucia (Liv. 4,16, 2-4) präsentierte, die angeblich seinem Vorfahren Lucius Minucius zu Ehren errichtet worden war (aufgrund von dessen Rolle bei der Kornverteilung von 439 v. Chr.). Die Figur mit dem lituus soll ein weiteres Mitglied der Familie der Minucii, Marcus Minucius Faesus, einen der ersten plebejischen Auguren im Jahre 300 v. Chr., darstellen. Die anderen beiden Münzabbildungen finden sich am unteren Teil des mit Vögeln und Eulen verzierten Rahmens. Die eine zeigt auf dem Avers das typische Bild des verschleierten Caesar mit Augurenstab und der Legende DIC TER CAESAR P M. Die Rückseite zeigt das bare Haupt des Marcus Lepidus mit der Legende IMPER M LEPIDVS. Die andere Münze zeigt vorne das bloße Haupt des Lepidus und hinten einen Krug, den lituus, die simpulum (Schöpfkelle) und Messer sowie die Legende M. LEPIDVS PONT MX III VIR R P C. Beide Münzen gibt es offensichtlich nicht30, sie verweisen jedoch auf Marcus Aemilius Lepidus, der Triumvir und Pontifex Maximus war und 12 v. Chr. starb. Er ernannte Caesar zum Diktator (selbst war er zum damaligen Zeitpunkt nur Prätor und hatte somit eigentlich keine legale Machtbasis für eine solche Ernennung). Lepidus wurde mit dem proconsularen Imperium in Hispania citerior belohnt und durfte sich nun selbst Imperator nennen.

Die von Johann Georg Pinz gestochene Tabula DXX zeigt einen Nachthimmel voller Sterne und Wolken, von welchem ein Blitz über dem Meer herabzuckt. Im Wasser schwimmt ein Wal, und am Ufer wartet ein Krokodil auf Beute. Zu Grunde liegt den Bildelementen ein Zitat aus dem Buch Hiob (26,13) über den deus fulminans, den strahlschießenden Gott. Scheuchzer führt aus, dass der Blitz schon immer mit Gott, bei den Heiden entsprechend mit der höchsten Gottheit, gleichgesetzt wurde und die Allmacht Gottes bezeugt. Zur Beweisführung ließ Scheuchzer in den Rahmen mit Sonnen- und Monddarstellung auch vier Münzen mit Blitzdarstellungen einfügen. Links oben wird eine Bronzemünze des Antoninus Pius aus Ephesos (vgl. BMC Ionien, S. 79, 236) abgebildet. Die Vorderseite zeigt den lorbeerbekränzten Kopf des Kaisers mit der Legende      C, die Rückseite Iupiter pluvius auf einem Wolkenthron mit einem Blitzbündel in der Hand, der es regnen lässt. Unten lagert eine Allegorie eines Flusses, während rechts ein Langtempel zu sehen ist. Die Legende  C bezeichnet die lagernde Gottheit als Pion, der allerdings als Berggott verehrt wurde31. Die Darstellung des Iupiter pluvius bezieht sich wahrscheinlich auf die Schlacht gegen die Quaden, bei dem ein heftiger Regen den Sieg brachte32. Oben rechts wird ein Stück des Lucius Verus (reg. 161-169) gezeigt mit seinem lorbeerbekränzten Brustbild und der Legende L VERVS AV ARM PARTH MAX sowie auf der Rückseite Iupiter mit Blitzbündel und Zepter und der Legende TR P VII IMP IIII COS III. Am unteren Rahmen umfasst eine, laut Scheuchzer, seleukidische Münze mit Zeus auf dem Avers und einem senkrechtem Blitzbündel auf dem Revers33 eine Münze des Commodus (reg. 180-192) mit dessen drapiertem und belorbeertem Brustbild mit der Legende M COMMODVS ANTONINVS PIVS FELIX AVG BRIT, und der Rückseite mit dem stehenden Iupiter mit Blitzbündel und Zepter, Kapitell und Adler sowie der Legende IOVI IVVENI IRM TRP X IIII IMP VIII COS V PP (vgl. RIC III, S. 424, 499).

Die letzte Graphik, Tabula DXXII, zeigt einen Berg mit einem hinabstürzenden Fluss. Im Hintergrund ist ein ausbrechender Vulkan zu sehen, im Fluss kann man einige Menschen sehen. Das Bibelzitat stammt aus Hiob (28,4): “torrentes erumpunt” (‘ausbrechende Bäche’). Scheuchzer analysiert in dem zu der von Georg Daniel Heumann gestochenen Graphik zugehörigen Text Überflutungen, die große Fruchtbarkeit des Landes nach sich ziehen. Hierfür zieht er auch Sizilien mit seinem Vulkan Ätna heran. Auch die beiden Münzdarstellungen im Rahmen der Graphik lassen das Bild nach Sizilien verlegen, wobei der ausbrechende Vulkan als Ätna, die Berglandschaft als Monti Madonie und der Fluss als Salso zu identifizieren ist. Die obere Münze zeigt Athena mit der Legende   und auf dem Revers ein Triskeles. Das Triskeles steht für das Dreikap (Trinacria) Siziliens und hat ein Gorgoneion im Zentrum sowie Gerstenähren als Zeichen der Fruchtbarkeit zwischen den Beinen (vgl. Sizilien/Panormus SNG Kop. 524).

Die untere Münze stammt auf der Vorderseite aus Syrakus und zeigt die Arethusa im Delphinkreis mit der Legende   (vgl. SNG Kop. 667). Die Rückseite hingegen ahmt ein Stück aus Metapontion in Lukanien nach (vgl. SNG München 996).

Literatur Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers. Durchgesehene Ausgabe mit dem von der deutschen evangelischen Kirchenkonferenz genehmigten Text. Berlin 1913. Lucius Cassius Dio: Roman History. With an English Translation. Hrsg. von Earnest Cary. Cambridge (Mass.) 1990. Catalogue of Greek Coins in the British Museum. Bd. 1-29. Bearb. von P. Gardner, B. V. Head, G. F. Hill, R. S. Poole, E. S. G. Robinson und W. Wroth. London 1892-1927, Neu Bologna 1963-1965. Coins of the Roman Republic in the British Museum. Bd. 1-3. Bearb. von Herbert A. Grueber. London 1910, Neu 1970. Crawford, Michael H.: Roman Republican Coinage. Cambridge 1974. Cuvier, Georges: J. J. Scheuchzer, in: Biographie universelle ancienne et moderne. Hrsg. von J. Fr. Michaud, 2. Aufl. Bd. 38, Paris o. J. (um 1850), S. 290-292 (Onlinefassung: URL: https://gallica. bnf.fr/ ark:/12148/bpt6k51678t/f4.item.r=.langFR; Zugriff am 10.11.2016). Fischer, Hans: Johann Jakob Scheuchzer (2. August 1672-23. Juni 1733). Naturforscher und Arzt, in: Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 175 (1973), S. 3-168. Geißen, Angelo/Weber, Manfred: Die alexandrinischen Gaumünzen der römischen Kaiserzeit. Die ägyptischen Gaue und ihre Ortsgötter im Spiegel der numismatischen Quellen. (Studien zur spätägyptischen Religion, Bd. 11). Wiesbaden 2013. Kempe, Michael: Scheuchzer, Johann Jakob, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 711-712 (Onlinefassung: URL: https:// www. deutsche-biographie.de/gnd118607308.html#ndbcontent; Zugriff am 16.09.2016). Kempe, Michael: Wissenschaft, Theologie, Aufklärung. Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) und die Sintfluttheorie. Epfendorf 2003. Kienast, Dietmar: Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie. Darmstadt 1996. Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden. Bd. 2. München 1975 (Artikel ‘Hispania’, Sp. 1185-1189) Leu, Urs B. (Hrsg.): Natura Sacra. Der Frühaufklärer Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733). Zug 2012. Titus Livius: Römische Geschichte. Lateinisch und deutsch. Hrsg. von Hans Jürgen Hillen. München 1987ff. Müsch, Irmgard: Geheiligte Naturwissenschaft. Die Kupferbibel des Johann Jakob Scheuchzer. Göttingen 2000. Roman Imperial Coinage. Bd. 1-10. Bearb. von P. M. Bruun, A. M. Burnett, R. A. G. Carson, J. P. C. Kent, D. Litt, H. Mattingly, J. W. E. Pearch, C. H. V. Sutherland, E. A. Sydenham. und P. H. Webb. London 1923-1994. Scheuchzer, Johann Jakob: Physicae sacrae Specimen de Locustis. Zürich 1724. Scheuchzer, Johann Jakob: Kupfer-Bibel, in welcher die Physica Sacra oder geheiligte Naturwissenschafft derer in der heiligen Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen. Augsburg/Ulm 1731-1735. Sydenham, Edward Allen: The Coinage of the Roman Republic. London 1952. Sylloge Nummorum Graecorum - Danish National Museum. Kopenhagen. Bd. 1-43, Supplement. Kopenhagen 1941-2002. Sylloge Nummorum Graecorum - Deutschland. Slg. Aulock. Bd. 1-18, Index. Berlin 1957-1981. Sylloge Nummorum Graecorum - Deutschland. München, Staatliche Münzsammlung. Bd. 1-7, 10-12, 14, 19-20, 22-24, 28. München/ Berlin 1968-2001. Quintus Septimius Florens Tertullianus: Tertullians apologetische, dogmatische und montanistische Schriften. Hrsg. von Karl Adam Kellner (Sämtliche Schriften, Bd. 2). Kempten/ Kösel 1916.