Die Heiligtumsfahrt in Aachen und in Kornelimünster Teil 2

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Die Heiligtumsfahrt in Aachen und in Kornelimünster (2)
Achim Feldmann

Viele Aachenfahrer nutzten ihren Aufenthalt in der Stadt, um neben den Heiligtümern auch die Reliquienschätze des Domes sowie benachbarter Kirchen, etwa der Kirche St. Adalbert und der Abtei zu Burtscheid, zu verehren. Die Wallfahrten waren so stark besucht, dass Pilgerorte in der Umgebung, wie Köln, Maastricht, Neuss, Kornelimünster, Düren, Tongeren, Susteren und Trier, ihre Zeigungstage mit denen von Aachen zeitlich abstimmten. Verschiedene Kirchen im Land von Rhein, Maas und Mosel richteten nach dem Aachener Vorbild ebenfalls Heiligtumsfahrten ein. Parallel zu denjenigen in Aachen fanden seit 1391 auch in Maastricht, seit 1594 in Mönchengladbach und seit 1359 in Kornelimünster Wallfahrten im Sieben-Jahres-Rhythmus statt.
Insbesondere die Abtei von Kornelimünster bot sich zu einem Besuch an. Sie lag nur wenige Stunden Fußmarsch von Aachen entfernt. So konnten die Pilger, wenn sie morgens in Aachen der Zeigung der Heiligtümer beigewohnt hatten, bereits nachmittags in Kornelimünster eintreffen, um dort ein ähnliches Schauspiel noch einmal zu erleben. Übrigens mussten bis 1794 auf dieser kurzen Wanderung drei Landesgrenzen überquert werden. Zwischen der Reichsstadt Aachen und dem freien Reichsstift Kornelimünster lagen das freie Reichsstift Burtscheid und ein Zipfel des Herzogtums Jülich (bzw. später des Kurfürstentums Pfalz). Seit der Heiligtumsfahrt 2000 ist diese Fußwallfahrt, die seit dem 18. Jahrhundert mit dem Rückgang der Teilnehmerzahlen außer Brauch gekommen ist, wieder in das offizielle Programm der Heiligtumsfahrt aufgenommen worden. Inzwischen machen ganze Schulklassen diese Wanderung, die wieder - wie auch in früheren Zeiten schon - sowohl religiöse als auch profane Bedürfnisse (Ausflug, Sport) befriedigt.

"Zwei Wegestunden südöstlich von Aachen liegt im anmutigen Tale der Inde der Marktflecken Cornelimünster. Schon der bloße Name weist auf eine klösterliche Niederlassung hin; und in der Tat gibt noch heute die altehrwürdige Abteikirche mit dem daran anstoßenden, palastartigen Abteigebäude dem Orte, den auch noch eine Reihe altertümlicher Giebelhäuser ziert, das Gepräge. Freilich dient das Abteigebäude längst nicht mehr seinen ehemaligen klösterlichen Zwecken (...), während in dem herrlichen Gotteshause, das nunmehr die Pfarrkirche des Ortes ist, dieselben Hymnen und Gebete zu Gott emporsteigen, wie vor 11 Jahrhunderten, wo sie zum erstenmal dort erschallten." (Daverkosen: Wirtschaftliche Lage, S. 1) Die Gründung des Klosters ist eng mit der Regierungsübernahme durch Kaiser Ludwig den Frommen (reg. 814-840) nach dem Tode Karls des Großen verknüpft. Ludwig errichtete nur etwa neun Kilometer von seiner Aachener Pfalz entfernt im Jahre 817 ein dem Erlöser geweihtes Kloster, zu dessen Vorsteher er Benedikt von Aniane (750-821) berief, der sich bereits als Klostergründer und -reformer einen Namen gemacht hatte. Von Anfang an war beabsichtigt, hier an dem Flüsschen Inde ein Musterkloster zu errichten, von dem aus die monastisch-spirituellen Impulse der Klosterreform auf das gesamte Reich ausstrahlen sollten. Außerdem war die Klosterkirche für den Kaiser als Grablege vorgesehen. Ludwig schenkte der Abtei, die nach dem vorbeifließenden Flüsschen 'monasterium ad Indam' (oder verkürzt 'Inda' oder 'Inden') genannt wurde, das gesamte Gebiet rund um den heutigen Ort, später 'Münsterländchen' genannt, und stattete es reich mit Grundbesitz aus, da eine stabile wirtschaftliche Lage Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit im Sinne der Reform war. Doch die neue reformerische Konzeption währte nicht lange; mit dem Tode Benedikts von Aniane im Jahre 821 hatte sie ihre Triebfeder verloren. Die Bedeutung der Abtei Inda war denn auch recht schnell wieder gesunken. 881 und 892 wurde der erste karolingische Bau durch die Normannen zerstört. Wie in Aachen ist auch in Kornelimünster der 17. Juli der Tag der Kirchweihe. Das Patrozinium der Kirche erhielt im Laufe der Zeit eine Veränderung. Zunächst war sie dem Erlöser geweiht. Als um 875 durch einem Reliquientausch mit der königlichen Pfalz in Compiègne die Schädeldecke und ein Armknochen des hl. Kornelius nach Inda kamen, hat dies auf lange Sicht das Patrozinium verändert. Zur Verehrung des Erlösers hat sich die Kornelius-Verehrung hinzugesellt, die im Laufe der Zeit eine solche Bedeutung erhielt, dass sogar der Name des Ortes wechselte. Erstmals ist im 11. Jahrhundert die Bezeichnung 'monasterium sancti Cornelii' überliefert, der ältere Name 'Inda' taucht jedoch noch bis ins 14. Jahrhundert auf, manchmal auch kombiniert, z. B. als 'monasterium sancti Cornelii indensis' oder als 'Cornelis Münster uff der Inden'. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert findet sich dann die Namensform 'Cornelis Munster' oder 'Corneliusmünster', bis sich dann im 19. Jahrhundert die heutige Ortsbezeichnung durchgesetzt hat.

Im Jahre 948 wurden von Kaiser Otto I. (reg. 936-973) die Immunitätsprivilegien der Abtei bestätigt, die später auch Markt- und Münzrecht erhielt. Damit war sie ein freies und reichsunmittelbares Reichsstift; der Abt war Reichsfürst und damit Landesherr. Bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts gelang es dem Kloster, seinen Einfluss zu halten, im weiteren Verlauf trat jedoch ein wirtschaftlicher Niedergang ein. 1310 wurde die Abtei in die Auseinandersetzungen der Reichsstadt Aachen mit den Grafen von Jülich hineingezogen und von aufgebrachten Aachener Bürgern geplündert und in Brand gesteckt. Kurz vor 1378 wurde sie erneut Opfer einer Feuersbrunst.
Mitte des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts kam es erneut zur wirtschaftlichen Blüte, der Bergbau (vor allem Galmei) und die Messing-Industrie wurden wichtige Einnahmequellen für das Kloster. Unter den Äbten waren Angehörige der vornehmsten Familien zu finden. "Die ehemalige Abteikirche gehört zu den bedeutendsten Werken rheinischer Baukunst, und in ihrer gewaltigen Ausdehnung und reichen Ausstattung ermöglicht sie uns eine Vorstellung von der grossen Bedeutung der ehemals so glänzenden Abtei. Fast ununterbrochen seit dem 9. bis zum 16. Jh. währte die Bauzeit, was die grosse Unregelmässigkeit der Anlage und ihre fesselnde architektonische Mannigfaltigkeit bedingt" (Reiners: Kunstdenkmäler, S. 56). Der immer größer werdenden Pilgerzahl genügte die Kirche jedoch bald nicht mehr; 1470 und 1510 folgten Erweiterungsbauten, die die Kirche zu einem fünfschiffigen Münster vergrößerten. Im 17. Jahrhundert wurden über dem Hauptchor und den nördlichen Nebenapsiden überdachte Holzgalerien zur Präsentation der Heiligtümer angelegt; 1706 schließlich wurde die barocke Korneliuskapelle angebaut.
"Unser Rundgang durch die Abteikirche hat uns eine Mannigfaltigkeit von Stilformen vor Augen geführt, wie sie in dieser Zusammenstellung selten vereinigt sind. Dem Westbau mit den Resten aus der Karolingerzeit ist die fünfschiffige Kirche vorgelagert, deren Hauptschiff einen romanischen Kern mit spätgotischem Gewölbe aufweist; die Nebenschiffe zeigen den spätgotischen, das Hauptchor vertritt den hochgotischen Stil. Teile der Innenausstattung und die Corneliuskapelle bieten die Formen des Barocks und des Rokoko. Und doch läßt die geschickte Angleichung der einzelnen Teile in uns nicht die Empfindung des Störenden aufkommen. Dasselbe kann man jedoch uneingeschränkt nicht von der Außenansicht des Baues sagen, so wie wir ihn vom Markt aus überblicken. Im Ganzen präsentiert sich uns hier das Gotteshaus mit seinen Strebepfeilern, den spitzbogigen Fenstern und ihrem Maßwerk als ein einheitlicher gotischer Bau. Ein unorganisches, verwirrendes Element in dem Gesamtbild stellt die Corneliuskapelle dar mit ihren nüchternen Formen, dem Ziegelbau und dem fremdartigen Grundriß. Im Innern der Kirche fällt dieser störende Eindruck fort, weil wir den Hauptbau und die Corneliuskapelle nicht mit einem Blick überschauen." (Nagel: Geschichte, S. 107-108).

Nach der Besetzung durch die Franzosen 1794 wurde im Jahre 1802 die Abtei nach 1000 Jahren des Bestehens aufgehoben. Die Pfarrgemeinde erhielt die Abteikirche als Pfarrkirche zugewiesen. Die übrigen Abteigebäude wurden verkauft, gingen dann 1876 an den preußischen Staat über, der hier zunächst ein Lehrerseminar, 1936 ein Heimatmuseum ansiedelte. Am 14. September 1945 nahmen US-amerikanische Einheiten Kornelimünster ein, ohne dass es dort zu größeren Zerstörungen kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat das Land Nordrhein-Westfalen als Rechtsnachfolger hier eine Außenstelle des Bundesarchivs (bis 2008) und eine Kunstausstellung untergebracht.
Der rund um das Klostergebäude liegende Ort hat bis heute seinen alten Charakter bewahrt. "Über eine Brücke gelangt man auf den ruhiggelegenen Marktflecken, dessen Bürgerhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts den Besucher mit der reizvollen Architektur des Spätmittelalters umgeben. (...) Von besonderem Reiz ist die hervorragende Lage des Ortes inmitten umgebender Hänge. Von Osten kommend fließt der Indebach in einem großen Bogen nach Süden und wendet sich dann nach Nordosten, um in einer weiteren Doppelwindung das Klauserwäldchen zu umspülen und in die weite Landschaft abzufließen. So wird im konkaven Indebogen eine kleine Ebene gebildet" (Hugot: Kornelimünster, S. 1). Kirche und Klostergebäude der ehemaligen Benediktinerabtei sind bis heute das Kernstück des Ortes. In romantischer Lage gruppieren sich die altertümlichen Häuser des Ortes um die alte Abteikirche und die beiden aneinandergereihten Plätze Korneliusmarkt und Benediktusplatz. Seit 1972 ist der Ort ein Stadtteil von Aachen.
Zusätzlich zu den Privilegien und Schenkungen entnahm Ludwig der Fromme dem großen Reliquienschatz seines Vaters drei Reliquien und übergab sie der Kirche. Hierbei handelte es sich um drei Tuchreliquien, das 'Schürztuch', das 'Grabtuch' und das 'Schweißtuch Christi'. So entwickelte sich auch hier eine Heiligtumsfahrt. "Das malerische Kornelimünster, geistiger Mittelpunkt des Münsterländchens, braucht sich hinter dem Wallfahrtsort Aachen nicht zu verstecken. Wie jenes verfügt Kornelimünster über bemerkenswerte biblische Heiligtümer" (Kirchenzeitung Sonderausgabe 2007, S. 36). In Kornelimünster wurden die Heiligtümer zunächst jedes Jahr gezeigt, seit spätestens 1359 (parallel zu Aachen) alle sieben Jahre. In Vielem wurde - bis in die Einzelheiten von Texten hinein - das Vorbild von Aachen aufgenommen. Die Wallfahrt nach Kornelimünster ist aber gleichzeitig immer auch eine Wallfahrt zum Hl. Kornelius gewesen. Dieser zog als Patron gegen Viehseuchen und die Fallsucht (Epilepsie) auch unabhängig von den siebenjährigen Weisungen zahlreiche Wallfahrer an.
Die Hochzeiten der Pilgerzüge und Wallfahrten sind im 14. und 15. Jahrhundert gewesen. In dieser Zeit sind auch die Seitenschiffe der Kirche errichtet worden, um die Pilgermassen unterbringen zu können. Diese zogen durch die Kirche, um die Reliquien und die sonstigen Kunstschätze der Abtei betrachten zu können. Die öffentliche Zeigung von einer erhöhten Position aus ist kurz danach eingeführt worden. In einer in Französisch abgefassten Beschreibung der Wallfahrt, die der reiche und einflussreiche Tuchweber und Textilhändler Philippe de Vigneulles (1471-1527/28) aus Metz im Jahre 1510 unternommen hat und die ihn nach Maastricht, Aachen, Kornelimünster und Düren führte, werden viele Einzelheiten der damaligen Organisation der Heiligtumsfahrten deutlich (seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrfach in verschiedenen Fassungen ins Deutsche übersetzt). Auch zu Kornelimünster findet sich eine Passage. "Nachdem wir Kirche und Stadt (Aachen) ganz besichtigt und das Nothwendige gekauft hatten, nahmen wir von unserm Wirthe Abschied, stiegen zu Pferd und trafen an jenem Tage noch rechtzeitig ein, um die kostbaren Heiligthümer in Kornelimünster zu sehen, einem Orte, wo in einem Thale - zwei Wegestunden jenseits Aachens - eine schöne, grosse Abtei ist. Denn die kostbaren Heiligthümer werden um zwei oder drei Uhr nach Mittag gezeigt und wurden schon öffentlich ausgestellt, als wir dort anlangten. In dem Orte waren bereits so viele Leute versammelt, dass es erstaunlich und ganz so wie in Aachen war. Als wir nach scharfem Ritte angekommen waren, stiegen wir eiligst auf einer Erhöhung in einem Garten ab, und von dort sahen wir das erste Heiligthum, das gerade gezeigt wurde (...)." Philippe berichtet dann von den einzelnen Weisungen, wobei zusätzlich auch die Reliquien des Hl. Kornelius gezeigt wurden. "Dies wurde gezeigt, und es wurde vorher von einem Prälaten eine Ansprache gehalten, ganz in derselben Ordnung und mit derselben Ehrerbietung, mit brennenden Kerzen, Weihrauchfass, Kreuzen und Weihwasser und ganz so, weder weniger noch mehr, wie ihr es vorhin hinsichtlich der Aachener Heiligthümer gehört habt, und es stiess auch das Volk in die Hörner und Trompeten. (...) Wenn alles gezeigt worden ist, reist ein jeder ab; die einen gehen nach Aachen, die anderen nach Düren, um das Haupt der hl. Anna, der Mutter unserer Lieben Frau, zu sehen, noch andere kehren in ihre Heimath zurück" (Teichmann: Heiligthumsfahrt, S. 131- 132). Die große Menschenmenge und die musikalischen Darbietungen mit Hörnern und Trompeten verliehen der Veranstaltung den Charakter eines Volksfestes. Für die Pilger war es ebenfalls wichtig, an möglichst vielen Wallfahrtsorten bei der Weisung präsent zu sein.

Jahrhunderte hindurch sind die Feiern der Heiligtumsfahrt in fast gleichbleibender Form gehalten worden. 1468 sind die Heiligtümer erstmals auf einem Flugblatt als Holzschnitt abgebildet worden. Ab etwa 1600 wurden Heiligtumsbüchlein gedruckt, die außer Beschreibungen und Abbildungen der Reliquien auch Gebete, liturgische Texte und Handlungsanweisungen enthielten. Sie waren für Aachen und Kornelimünster gedacht. Das erste ausdrücklich für Kornelimünster gedruckte Büchlein stammt aus dem Jahre 1685. Der siebenjährige Turnus konnte nicht immer eingehalten werden. In schweren Notzeiten sind einige Male Abweichungen zu verzeichnen. 1697 wurden die Reliquien nach Aachen gebracht und dort dem Herzog von Jülich gezeigt. 1762 fiel in Kornelimünster die Heiligtumsfahrt aus (in Aachen hingegen nicht). 1790 fand die letzte Zeigung in abteilicher Zeit statt. 1794 mussten die Reliquien vor den französischen Truppen nach Paderborn auf rechtsrheinisches Gebiet in Sicherheit gebracht werden. 1797 fiel die Heiligtumsfahrt aus diesem Grunde aus, obwohl die Reliquien zu dieser Zeit offensichtlich bereits (heimlich) wieder zurückgebracht worden waren.
Dem Aachener Bischof Marc Antoine Berdolet (reg. 1802-1809) verdankt Kornelimünster, dass die Heiligtümer 1804 offiziell der neuen Pfarrgemeinde St. Kornelius übergeben wurden. Damit wurde die Pfarrgemeinde anstelle des Klosters zur Trägerin der Wallfahrt. In diesem Jahr wurden sie auch wieder öffentlich gezeigt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zögerlich zu einem Neuanfang der Heiligtumsfahrten. 1818 ließ sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Reliquien im Oktober - nach Beendigung der offiziellen Heiligtumsfahrt - zeigen. Mit dem Bau der ersten Eisenbahnen entstand nach und nach ein regelrechter Wallfahrtstourismus. 1911 kam es erneut zu einer außerordentlichen Zeigung für Kaiser Wilhelm II., der zu dieser Zeit die Stadt Aachen besuchte. 1916 fiel die Heiligtumsfahrt wegen des Ersten Weltkriegs, 1923 wegen der Inflation und der Ruhrkrise aus. Dies wurde dann 1925 zur 'Jahrtausendfeier der Rheinlande' nachgeholt; 1930 konnte wieder der übliche Turnus aufgenommen werden. 1937 kam es - wie in Aachen - zu einem Massenzulauf aus stummem Protest gegen die kirchenfeindliche Haltung der nationalsozialistischen Herrschaft. 1944 musste sie erneut ausfallen, die Reliquien wurden jedoch 1945 im September während der sog. 'Kornelioktav' außerturnusmäßig gezeigt. Mit Kornelioktav wird das Fest des Ortsheiligen bezeichnet, das ebenfalls eine Woche lang gefeiert wird, und zu dem seit Jahrzehnten auf allen Plätzen und Gassen des Ortes ein historischer Jahrmarkt abgehalten wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Wallfahrt 1951 in alter Form wieder aufgenommen. 1972 kam es zu einer Neuerung: Die Heiligtumsfahrt wurde nicht mehr im Juni abgehalten, sondern in Verbindung mit der Kornelioktav im September, diesmal ohne Zeigung von den Galerien. Seit 1979 wird die Wallfahrt dann sogar zwei Mal im selben Jahr durchgeführt; einmal parallel zur Heiligtumsfahrt in Aachen Ende Juni, ein zweites Mal im September während der Kornelioktav. Im Jahre 2014 etwa geschah dies vom 22. bis 29. Juni und zwischen 14. und 21. September.
Einen bedeutenden Impuls zur Belebung gab 1986 die Verbindung von Heiligtumsfahrt und Katholikentag (siehe Teil 1, S. 8). 1993 war ein Höhepunkt der Einzug von etwa 400 Pilgern aus Ungarn in die Kirche - zum ersten Mal seit dem Verbot der Wallfahrten durch Kaiser Josef II. und bedingt durch die politische Wende in Osteuropa. Inzwischen wird auch die Zeigung von den Galerien wieder durchgeführt. "Viele Pilger empfinden die Heiligtumsfahrt von Kornelimünster als familiärer, weniger durchsetzt von Touristenrummel, ohne ewig langes Anstehen zum Betrachten der Heiligtümer" (Kirchenzeitung 17.6.2007, S. 16). 2007 sind den Schätzungen nach etwa 10.000 Pilger nach Kornelimünster gekommen. Im Jahre 1902 sind es noch 200.000 Teilnehmer gewesen.

Auch in Kornelimünster wurden - wie in Aachen und an anderen Wallfahrtsorten - Pilgerzeichen und Medaillen hergestellt, die - zusammen mit Pilgerbüchlein, Stichen, Postkarten oder Fähnchen - die Erinnerung an die Wallfahrt wachhalten sollten. Die frühen Pilgerzeichen des späten Mittelalters sind in minderwertigen Metallen gegossen, einseitig und durchbrochen oder als Umrissform gearbeitet. Dargestellt ist auf diesen Zeichen zumeist das Brust- oder Standbild des Hl. Kornelius mit Tiara, Papstkreuz und Horn, teils mit Architekturelementen, teils mit einer kleinen Pilgerfigur zu seinen Füßen. Ab dem frühen 16. Jahrhundert treten dann einseitige Abzeichen als Viereck, Rechteck mit oberer Abrundung oder Rechteck mit oberer Spitze auf. Außer einem originalen, in der Weser gefundenen Zeichen, das um 1500 datiert wurde, liegen diese Abzeichen für Kornelimünster bisher nur in Wiedergaben in der Buchmalerei und auf Glocken vor. Es ist auffällig, dass die Abzeichen bis zum 20. Jahrhundert nie die Heiligtümer abbilden, sondern ausschließlich den Hl. Kornelius. Die Verbindung der Heiligtumsfahrt mit der Wallfahrt zum Hl. Kornelius wurde bereits erwähnt.
Bei den modernen, zweiseitigen Medaillen des 19. und 20. Jahrhunderts werden die Heiligtümer (oder auch zusätzlich andere Reliquien der Kirche) zwar teilweise auf der Rückseite dargestellt, durch die Wiedergabe des Hl. Kornelius auf der Vorderseite erweisen sie sich jedoch wiederum in erster Linie als Andenken an den Heiligen. Teilweise ist die Darstellung des Hl. Kornelius auch mit denjenigen anderer Heiliger, die mit dem Ort direkt nichts zu tun haben, etwa der Hl. Cäcilie oder dem Jesusmonogramm, gekoppelt. Bei diesen handelt es sich dann eindeutig nicht um Heiligtumsfahrt-Andenken. Es gibt auch Medaillen aus den Jahren 1846 bis 1867, die auf der einen Seite die Heiligtümer von Aachen, auf der anderen Seite diejenigen von Kornelimünster darstellen. Es sind sogar Exemplare mit niederländischer Umschrift bekannt. Als Hersteller aller dieser Medaillen traten die bekannten Prägefirmen Carl Poellath in Schrobenhausen und Heinrich Kissing in Menden auf. Zur Heiligtumsfahrt 1951 wurde als offizielles Pilgerandenken ein rechteckiges hohlgeprägtes Ansteckabzeichen ausgegeben, die den knienden Pilger vom Sockel der Korneliusstatue in der Kirche von Kornelimünster zeigt. Dieses wird seitdem - ohne die Jahreszahl - bei jeder Heiligtumsfahrt erneut aufgelegt. 1979 schließlich erschienen zwei Medaillen, die die Kirche von außen darstellen, kombiniert mit der Reliquienbüste des Hl. Kornelius bzw. dem Ortswappen. 1993 wurde ein spätmittelalterliches Pilgerabzeichen als Vorlage für eine Prägung hergenommen, die in versilbertem Messing oder in Weißmetall angefertigt wurde. Auch in Aachen sind seit den 1980er-Jahren mehrfach Nachgestaltungen alter Wallfahrtsabzeichen herausgegeben worden (siehe die Abbildung S. 8 sowie Teil 1, S. 6).
Pilgerzeichen und Medaillen zur Heiligtumsfahrt in Kornelimünster werden insbesondere bei Ursula Hagen 1973 (S. 107, 172-175 mit Taf. 11, 20-21), in der Sammlung Busso Peus 1982 (S. 104, Nrn. 1628-1632) sowie bei Peter Rong 2007 (Band 2, S. 173-243) in unterschiedlicher Ausführlichkeit behandelt.

Literatur:
Hubert Daverkosen: Die wirtschaftliche Lage der Reichsabtei Cornelimünster; Aachen 1915
Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch. Hg. von den (Erz-) Bischöfen Deutschlands und Österreichs und dem Bischof von BozenBrixen. Ausgabe für die Diözese Aachen; Stuttgart/Aachen 2013
Friedrich Haagen: Geschichte Achens (sic!) von seinen Anfängen bis zur neuesten Zeit. Seinen Mitbürgern gewidmet von Friedrich Hagen. Bd. 1-2; Aachen 1873-1874
Ursula Hagen: Die Wallfahrtsmedaillen des Rheinlandes in Geschichte und Volksleben (Werken und Wohnen. Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland, Bd. 9); Köln 1973
Ursula Hagen-Janke: Wallfahrtsmedaillen im Rheinland, in: Wallfahrt im Rheinland. Hg. vom Amt für rheinische Landeskunde in Verbindung mit dem Volkskunderat Rhein-Maas und dem Niederrheinischen Freilichtmuseum (Werken und Wohnen. Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland, Bd. 14); Köln 1981, S. 95-112
Ernst Hönings: “Des freien Reichsstifts zu St. Cornelii auf der Inden unschätzbares Heiligtum”. Die Christusreliquien im Wallfahrtsort Kornelimünster und ihr Kult in Mittelalter und Neuzeit (Forum Jülicher Geschichte, Bd. 8); Köln 1993
Ernst Hönings: Heiligtumsfahrt und Korneliusoktav Kornelimünster; Kornelimünster o. J. (1986)
Emiel van Hoydonck: Jacques Wiener (1815-1899). Médailles, Jetons; o. O. 1972
Leo Hugot: Kornelimünster. Untersuchung über die baugeschichtliche Entwicklung der ehemaligen Benediktinerklosterkirche (Rheinische Ausgrabungen 2/Beihefte der Bonner Jahrbücher 26); Köln/Graz 1968
KirchenZeitung für das Bistum Aachen. Sonderausgabe zur Heiligtumsfahrt 1.-10. Juni 2007
Kurt Köster: Meister Tilman von Hachenburg. Studien zum Werk eines mittelrheinischen Glockengießers des fünfzehnten Jahrhunderts. Mit besonderer Berücksichtigung der als Glockenzier verwendeten mittelalterlichen Pilger- und Wallfahrtsabzeichen, in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 8 (1957), S. 1-206, Taf. I-XVI (Aachener Pilgerzeichen S. 58-70 Taf. X-XVI)
Kreiskarte NRW 1:50.000, Nr. 41: Regierungsbezirk Köln, Kreis Aachen, Kreisfreie Stadt Aachen. Hg. vom Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen, 9. Aufl. 2002
Rudolf Kriss: Wallfahrtsorte Europas; München 1950
Norbert Kühn: Die Reichsabtei Kornelimünster, in: Johannes Mötsch/Martin Schoebel (Hg.): Eiflia Sacra. Studien zu einer Klosterlandschaft (Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 70); Mainz 1994, S. 91-114
Herta Lepie: Die Aachenfahrt, in: Wallfahrt im Rheinland. Hg. vom Amt für rheinische Landeskunde in Verbindung mit dem Volkskunderat Rhein-Maas und dem Niederrheinischen Freilichtmuseum (Werken und Wohnen. Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland, Bd. 14); Köln 1981, S. 79-94
Lexikon des Mittelalters. Bd. 1-10; München/Zürich 1980-1999 (Aachenfahrt Bd. 1, Sp. 3-4) Lexikon für Theologie und Kirche. Begründet von Michael Buchberger, 3. Aufl. hg. von Walter Kasper. Bd. 1-11; Freiburg 1992-2001 (Aachenfahrt Bd. 1, S. 6; Kornelimünster Bd. 6, S. 383) Julius Menadier: Die Aachener Münzen. Münzen, Urkunden und Akten. in: Zeitschrift für Numismatik 30 (1913), S. 321-529; 31 (1914), S. 145- 459 (auch als Sonderdruck Berlin 1913)
Michel Deutschland-Katalog 2010/2011. Hg. vom Schwaneberger-Verlag; Unterschleißheim 2010
Aegidius Müller: Das heilige Deutschland. Geschichte und Beschreibung sämmtlicher im deutschen Reich bestehender Wallfahrtsorte. Unter Beihülfe vieler Gelehrten Deutschlands. Bd. 1-2; Köln o. J. (1887)
Franz Nagel: Geschichte der Reichsabtei Cornelimünster und des Münsterländchens; Kornelimünster/Stolberg 1925
Dr. Busso Peus Nachf. Münzhandlung, Frankfurt a. M. Auktionskatalog 306: Sammlung Dr. Busso Peus, Frankfurt. Wallfahrtsmedaillen des deutschen Sprachgebietes. Bearb. von Busso Peus; Frankfurt a. M. 13.-15. Dezember 1982
Hiltrud Reinecke/Klaus Reinecke: Jacob Wiener. Europa in Münzen, Medaillen, Briefmarken. Ausstellung anläßlich des 90. Todestages von Jacob Wiener 1815-1899 im Ordensmuseum Abtei Kamp, 3. November 1989-7. Januar 1990; Kamp-Lintfort 1989
Heribert Reiners: Die Kunstdenkmäler der Landkreise Aachen und Eupen (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Hg. von Paul Clemen, Bd. 9,2); Düsseldorf 1912
Peter Rong: Mittelalterliche Aachener Pilgerzeichen aus der Zeit des 14. bis 16. Jahrhunderts; Aachen 2000
Peter Rong: Aachener Pilgerzeichen aus der Zeit des 17. Jahrhunderts bis zum Jahre 2000; Aachen 2007
Heinrich Schiffers: Kulturgeschichte der Aachener Heiligtumsfahrt; Köln 1930
Heinrich Schiffers: Zur Geschichte der Heiligtumsfahrt nach Aachen und Kornelimünster sowie ihrer Riten, in: Aachen zum Jahre 1951. Hg. vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz; Neuss 1951, S. 167-177
Christian Schreiber (Hg.): Wallfahrten durchs deutsche Land. Eine Pilgerfahrt zu Deutschlands heiligen Stätten; Berlin 1928
Lothar Stresius: Kornelimünster. Benediktinerabtei - Propsteikirche - Ort; Regensburg 2014
Werner Strothotte: Die Zeit in der Numismatik. Kalender-Medaillen, Münzen, Medaillen, Plaketten zum neuen Jahr; Gütersloh 2004
Eduard Teichmann: Zur Heiligthumsfahrt des Philipp von Vigneulles im Jahre 1510, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 22 (1900), S. 121-187
Erwin Thyssen: Die Heiligtumsfahrt-Ausstellung 1909, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 32 (1910), S. 242-325
Dieter P. J. Wynands: Zur Geschichte der Aachener Heiligtumsfahrt, in: Birgit Lermen/Dieter P. J. Wynands: Die Aachenfahrt in Geschichte und Literatur; Aachen 1986, S. 7-31
Verschiedene Aachener Tageszeitungen