Münztechnik

Aus MGM Münzlexikon
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Spindelwerk auf der Rückseite einer Medaille von L. P. Lundgren auf den Besuch von König Oskar I. von Schweden in der Münzstätte Stockholm im Jahr 1851

Gesamtheit aller materiellen Mittel und Prozesse, die der Herstellung von Münzen dienen. In der historischen Entwicklung der M. sind grundsätzlich zwei Fertigungstechniken zu unterscheiden: 1. Gießen (Urformen), 2. Prägen (Umformen). Das Gießen von Münzen (→ Guß ) wurde fast drei Jahrtausende lang (bis zum Ende des 19. Jh.) in China angewendet. Im europäischen Raum sind gegossene Münzen aus der griechischen und römischen Antike (→ Aes grave) und für Notmünzen bekannt. In der Gegenwart wird dieses Verfahren nur noch gelegentlich bei der Herstellung von → Gußmedaillen genutzt.
Das Prägen war bereits seit dem 7. Jh. v. Chr. die gebräuchlichste Fertigung im Mittelmeerraum und wird seit der Zeit des römischen Kaiserreichs als einzige Herstellungstechnik angewendet. Die Münzplatten (→ Platte ) für geprägte Münzen wurden jedoch in der Antike vermutlich vorwiegend im Gußverfahren hergestellt. Bei den frühesten Münzen als Einzelguß (z. B. flüssiger Metalltropfen auf ebene Platte), später auch als Serienguß (Gußform für mehrere Münzplatten in einem Guß).
Im Mittelalter bildete sich eine völlig andere Technologie heraus:
1. Herstellung der → Zaine:
– Ansetzen und Schmelzen der → Legierung
– Gießen in entsprechende Formen
– Ausschlichten, → Glühen
2. Herstellen der Platten:
– Abtrennen der Schrötlinge vom Zain
– → Justierung
– Schmieden der Platte aus dem Schrötling
– mehrmaliges Glühen
– → Scheuern
– → Weißsud
3. Prägen der Platten
– Herstellen der → Münzstempel (Schmieden, Schneiden, Härten)
– Prägen
Als Kontrollen waren vorgeschrieben: → Tiegelprobe, → Zainprobe. Vom Gesamtfertigungsaufwand fielen dabei auf die Herstellung der Zaine etwa 40%, der Platten etwa 45%, auf das Prägen nur etwa 15% der Arbeitszeit.
Der Prägevorgang wurde seit der Antike als freie → Hammerprägung durchgeführt, wobei die Größe der zu prägenden Münzen begrenzt war. Mit einem Prägehammer von etwa 5 kg ließen sich Münzen von annähernd Groschen-Größe prägen. Größere Münzen, z. B. Taler, ließen sich mit dem normalen Prägehammer nur abschnittsweise mit mehreren Hammerschlägen prägen. Eine Sonderstellung in der Münztechnik nehmen die mittelalterlichen → Brakteaten und Hohlpfennige ein. Sie wurden aus dünnem Silberblech mit nur einem Stempel auf einer nachgiebigen Unterlage (z. B. Leder) geprägt. Da diese Hohlprägung einen wesentlich geringeren Energieaufwand erforderte als die Massivprägung, konnten mit einem Hammerschlag gleichzeitig mehrere übereinanderliegende Münzbleche von relativ großem Durchmesser geprägt werden. Einen Fortschritt in der Hammerprägung stellte die Erfindung des → Klippwerks (vermutlich Ende des 15. Jh.) dar, bei dem der Oberstempel nicht mit der Hand geführt zu werden brauchte.
Seit der Mitte des 16. Jh. gab es den → Durchschnitt und das Walzwerk. In einigen Münzstätten wurde der auf die Dicke der Münzplatten ausgewalzte Zain noch mit Hilfe einer → Reckbank kalibriert. Die energieaufwendige Prägung großer Münzen wurde erleichtert durch die Entwicklung von → Walzenprägewerk und → Spindelwerk (Balancier). Die anfänglich weit verbreitete (energetisch günstige) Walzenprägung (Antrieb durch Göpelwerk oder Wasserrad möglich) wurde jedoch zugunsten des Stoßwerks wieder aufgegeben, dessen Wirkungsweise darin bestand, daß die Energie von zwei bis zwölf Personen beim Anwurf in den schweren Schwunggewichten des „Schlüssels“ gespeichert und über eine Gewindespindel auf die Münzplatte übertragen wurde, wodurch auch große Münzen mit einem einzigen schweren Stoß (Anwurf) fertiggeprägt werden konnten. Die Münzarbeiter wehrten sich vielerorts gegen die Einführung dieser Maschinen, da sie befürchteten, daß ihre in langer Ausbildung erworbenen handwerklichen Fertigkeiten damit überflüssig wären. Der im gesellschaftlichen Gesamtinteresse liegende technische Fortschritt ließ sich zwar nicht unterbinden, doch konnten es die Münzer in einigen Münzstätten erreichen, daß neben dem Einsatz von Maschinen, zum Teil bis Ende des 18. Jh., auch die alte Hammertechnik noch beibehalten wurde. In sehr kleinen Münzstätten mit geringer Emission wurde auf Prägemaschinen wegen zu hoher Anlagekosten verzichtet. Weitere technische Verbesserungen, die jedoch lediglich das Äußere der Münze betrafen, konnten mit der Erfindung des → Rändelwerks und des Prägerings (→ Ringprägung ) erreicht werden (erhöhte Sicherheit gegen Befeilen bzw. Beschneiden).
Anfang des 19. Jh. entstand das → Kniehebelprägewerk, das seinen Platz auch in den modernen Münzstätten behaupten konnte. Seine wesentlichen Vorteile sind:
– Die gegenüber dem Stoßwerk kontinuierliche Rotationsbewegung des Antriebs wird mit Hilfe eines Kurbeltriebs in die Vertikalbewegung des Oberstempels umgewandelt.
– Das System des Kniehebels überträgt bei verhältnismäßig geringer Antriebsenergie extrem große Prägekraft, die zudem noch mit dem Verformungswiderstand der Münzplatte wächst.
– Der gesamte Prägevorgang ist mechanisiert. Damit konnte die Anzahl der Prägungen pro Zeiteinheit gegenüber dem Stoßwerk auf mehr als das Doppelte erhöht werden.
Die gegenwärtigen Arbeitsschritte bis zum eigentlichen Prägevorgang sind grob eingeteilt: das Gießen der Zaine, das Auswalzen der Zaine auf die vorgeschriebene Dicke, das Ausstanzen der Plättchen, das Aufstauchen des Rands der Ronden (Münzplättchen), Rändeln der Münzplättchen (Einprägen der Randschrift oder des Riffelrands). In Zwischenschritten werden die Plättchen mehrfach gewaschen und geglüht, damit sie sich leichter verformen lassen. Moderne Prägeautomaten arbeiten nach dem Kniehebelprinzip und entwickeln Verformungskräfte von 350 bis 950 kN (Kilonewton). Über eine automatisierte Zuführung werden die Ronden in den Prägering zwischen Ober- und Unterstempel geschoben (bis zu 850 Prägungen pro Minute). Bei Bimetallmünzen muß die Zuführung von Ring und Pille zum Prägering über zwei separate Systeme erfolgen. Im Unterschied zum 1-Euro-Stück, für das Ring und Pille gleich getrennt angeliefert werden, kommen die Ronden für die 2-Euro-Münzen als Vollplättchen, weil die Rändelung am unversehrten Münzplättchen erfolgen muß, bevor das Zentrum, die Pille, ausgestanzt wird.

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Medaille von R. Placht um 1907 auf den Besuch der Wiener Münzstätte mit der Darstellung eines Kniehebelwerks, das von einer Frau beschickt wird