Karl Goetz (1875-1950)

Aus MGM Münzlexikon

Teil 1: Leben und Werk bis zum Ersten Weltkrieg

Achim Feldmann


Karl Goetz (1875 Augsburg – 1950 München) war der rührigste und finanziell erfolgreichste deutsche Medailleur des 20. Jahrhunderts. Seine Karriere begann als Graveur und Juwelier in München, doch seine satirischen Medaillen vom Ersten Weltkrieg bis zur Hyperinflation brachten ihm Weltruhm, wenn auch seine beißenden Sprüche und hochpatriotischen Themen unserem heutigen Zeitempfinden nicht mehr entsprechen. Dennoch, seine Werke lesen sich heutzutage wie eine Bilderchronik der politischen und sozialen Umbrüche Deutschlands. Sein Stil, vom europäischen Art nouveau geprägt und an den Medaillen der Renaissance orientiert, ist einzigartig in seiner Kraft und in seinem Bildwitz.


Karl Goetz wurde am 28. Juni 1875 in Augsburg als drittes von fünf Kindern geboren. Seine Eltern waren der Handschuhmacher Karl Goetz sen. und Anna, geb. Beyer. Im Jahre 1881, als er gerade einmal sechs Jahre alt war, starben sein Vater und zwei seiner Schwestern an Diphtherie. Obwohl seine Mutter noch bis 1919 lebte, wurde er in der Folgezeit bis zu seinem 17. Lebensjahr von seiner Großmutter Rosalie Goetz aufgezogen. Nach seiner Volksschulzeit ging Karl Goetz am 1. Februar 1889 im Alter von 13 Jahren für vier Jahre bei dem Graveur Johannes Dominal (1861-1942) in die Lehre. Hier erlernte er von Grund auf die handwerklichen Fähigkeiten im Stempelschneiden, Gravieren und Ziselieren.

Gleichzeitig besuchte er Zeichenkurse in einer Abendklasse an der Reichsstädtischen Kunstschule Augsburg. Bereits 1890 – also mit 15 Jahren! – schuf er eine Medaille auf den 90. Geburtstag des Generalfeldmarschalls Helmuth Karl Bernhard von Moltke d. Ä. (1800-1891), die jedoch nicht mehr bekannt ist. Am 4. Dezember 1892 gewann er eine Auszeichnung der Augsburger Gewerbehalle für den Entwurf und die Ausführung seines Gesellenstücks, zwei gravierte Weißmetall-Teller. Nach Beendigung seiner Ausbildung arbeitete er von Februar 1893 bis Juni 1895 weiter als Geselle und Graveur-Gehilfe bei Dominal, um sich weiter in seinen Handwerk zu verbessern.

Nach seiner Gesellenzeit begab sich Karl Goetz auf “Wanderschaft” in verschiedene Städte Deutschlands und des Auslands, um durch die Arbeit bei bekannten Firmen seine künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten zu vervollkommnen.


Wanderjahre
Im Juli 1895 begann er in Dresden bei den sächsischen Hofgraveuren Cohne & Northmann als Graveurgehilfe, wo er bis November blieb, von November 1895 bis Juni 1896 wechselte er – wieder als Graveur-Gehilfe – nach Leipzig zur Firma Hugo Kuntze, Friedrich-List-Straße 32. 1896 ging er nach Berlin, wo er bis September 1897 als Graveurgehilfe bei der Gravieranstalt F. G. Wahl, Alexandrinenstraße 87, beschäftigt war. Von September 1897 bis Februar 1898 war er in Düsseldorf bei der Gravier-Anstalt C. Schnürle als Graveur-Gehilfe. Hier arbeitete er auch erstmals an der Herstellung von Medaillen mit. 1898 siedelte er nach Utrecht (Niederlande) über, wo er von Februar 1898 bis Februar 1899 bei der bekannten Prägefirma “Koninklijke Begeer” arbeitete – wiederum als Graveur-Gehilfe. Hier half er bei Entwurf und Herstellung von Erinnerungsmedaillen, Ehrenzeichen und Plaketten für den Königlichen Hof. Im März 1899 heuerte er bei der ebenso bekannten Firma “Huguenin Frères” in Le Locle (Kanton Neuchatel, Schweiz) als Graveur und Medailleur an, wo er bis September 1899 blieb.

Auf allen diesen Stationen verbesserte er seine Technik und lernte neue Methoden kennen. Bereits in Berlin hatte er begonnen, abends Französischunterricht zu nehmen, was er in der französischsprachigen Schweiz natürlich vervollkommnen konnte, so dass er es schließlich wagen konnte, im September 1899 zur Kapitale der europäischen Kunst, nach Paris, zu gehen.

Paris war um 1900 die unbestrittene europäische Hauptstadt aller Arten von Kunstgewerbe. Die gesamte Welt blickte auf die dort entstehenden phantasievollen Kreationen und nahm sie als Vorbild für die eigenen Schöpfungen. Zu dieser Zeit war die Kunstrichtung des Jugendstil machtvoll hervorgetreten und hatte den damals herrschenden Historismus in den Hintergrund gedrängt.

Herausragend unter den Großen der Branche war der Pariser Goldschmied René Jules Lalique (1860-1945), ein Protagonist eines neuen Schmuckgenres, der zweifellos zu den kreativsten Persönlichkeiten der neuen Kunst zählte.

Neben den Schmuckstücken im “Genre Lalique” gab es jedoch auch andere Tendenzen. Édouard Colonna (1862-1948) und Paul Follot (1877-1942) arbeiteten mit Linienornamenten und stark stilisierten vegetabilen Motiven. Auch die Medaillenkunst beschritt neue Wege und verband sich zum Medaillenschmuck des Art Nouveau. Medailleure wie Louis-Alexandre Bottée (1852-1941), Frédérik Charles Victor de Vernon (1858-1912), Victor Prouvé (1858-1943) und Emile Monier (1883-1970) fertigten die Vorlagen für die flachen Reliefs, die dann zu Anhängern, Medaillons oder Broschen verarbeitet wurden.

Goetz’ Freund Buhse führte ihn bei dem Silberkunstschmied Émile Philippe ein, für den er als Ziseleur arbeitete. Goetz arbeitete dort von September 1899 bis März 1900 als “Dessinateur” und “Modelleur” und war für Design und Produktion zuständig. Er entwarf Zigarettenetuis, Aschenbecher, dekorative Tabletts, Toilettenartikel sowie Spazierstock- und Regenschirmgriffe. Als die Geschäfte langsam schlechter wurden, trennte sich Goetz von Philippe und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Er schuf zwischen März 1900 und August 1904 auf eigene Rechnung mit großem Erfolg Schmuckstücke, Accessoires und Luxusartikel mit Gravur, die er dann den dortigen Juwelieren anbot. Er nahm auch mit eigenen Werken an der Weltausstellung 1900 teil.

Er traf den jungen Medailleur Firmin-Pierre Lasserre (1870-1943), einen Schüler von Oscar Louis Roty (1846-1911), der ein gut ausgestattetes Atelier besaß. Dort konnte er eine zeitlang arbeiten, schuf Entwürfe und Modelle, die Lasserre dann ausführte. Bei Lasserre schuf er unablässig Skulpturen und Reliefs – bis in die Nacht hinein und oft ohne Bezahlung. Karl Goetz blieb fünf erfolgreiche Jahre lang in Paris. Neben dem Erfolg als Schmuckentwerfer galt sein Interesse auch der Medaillenkunst. In Paris entwarf er seine ersten eigenen Medaillen – sie sind bislang jedoch nicht bekannt. 1904 kehrte er nach Deutschland zurück.

Die Pariser Jahre hatten eine sehr wertvolle Grundlage für seine zukünftige Kariere als selbstständiger Medailleur und Geschäftsmann gelegt.

1904 kam er im Alter von 29 Jahren in die Stadt München, die zu dieser Zeit ein großes Zentrum der Kunst war. Diese Stadt wurde seine neue Heimat, hier lebte er 46 Jahre lang bis zu seinem Tod im Alter von 75 Jahren.


Münchner Medaillenkunst
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte es in Frankreich und in Wien eine Wiedererweckung der Medaillenkunst gegeben, die im Verlauf der vorhergehenden Jahrzehnte in künstlerische Erstarrung geraten war. In Frankreich hatten die Verbesserungen der technischen Voraussetzungen einen neuen Medaillenstil hevorgebracht, eine große Anzahl führender Bildhauer und Medailleure schufen Medaillen von hohem künstlerischem Rang. Deutsche Künstler und Gelehrte äußerten immer dringender den Wunsch nach Wiederbelebung des eigenen Medaillenschaffens, sicherlich auch aus der Motivation eines eifersüchtigen künstlerischen Wettlaufs mit dem “Erbfeind” heraus. Man wollte einen “deutschen Stil” schaffen. Mehrere Städte boten sich als Ausgangspunkt und Zentrum für die Entwicklung eines neuen eigenständigen deutschen Medaillenstiles an, zum Beispiel die Residenzstädte der deutschen Teilstaaten, wo viele Künstler und Bildhauer tätig waren. Letztlich wurde München durch das Zusammenwirken von experimentierfreudigen Künstlern, der Unterstützung durch die Fachleute des Münzkabinetts und die finanzielle Förderung durch Georg Hitl (1863-1923), den Besitzer der Prägeanstalt Carl Poellath in Schrobenhausen, eines der großen Zentren deutscher Medaillenkunst in dieser Zeit.

Die malerische Wirkung der französischen Medaille mit ganzen Landschaften im Hintergrund war nur durch den Einsatz der Reduziermaschine möglich. Diese technischen Hilfsmittel wurden in München abgelehnt, da sie mit dem Wesen der Medaille nicht in Übereinstimmung stünden. Die Modelle sollten schon in Originalgröße vorgearbeitet sein, der Guss wurde der Prägung vorgezogen; wenn doch Prägung, dann sollte der Stempel möglichst negativ direkt in den Stahl geschnitten werden. Die Münchner Medaille hatte weniger Züge des Jugendstil oder der Art Nouveau, sondern suchte vielmehr Anschluss an die Spitzenwerke der Renaissance. Die Künstler unterwarfen sich jedoch keinem festen gestalterischen Kanon, sondern experimentierten auf allen Gebieten von Technik und Stil. Auch die Thematik war breit gefächert, künstlerisch-dekorative und Genrearbeiten standen neben Porträts, religiöse Themen neben Sport und Freizeit. Insgesamt zeichnet sich die bereits damals so genannte “Münchner Medaillenkunst” in Anlehnung an die Stempelschneiderkunst der Antike und die Medaillenkunst der Renaissance überwiegend durch eine hohe Plastizität, eine Akzentuierung des Entwurfs auf das Hauptthema, eine Monumentalisierung und auch einen gewissen derben Charakter aus.

Die wirtschaftlichen Probleme nach dem Ersten Weltkrieg und die Inflation, die Verarmung der bürgerlichen Käuferschichten und der politische Umbruch im Jahre 1933 führten zu einem deutlichen Niedergang der Münchner Medaillenkunst.


Anfänge in München
Goetz stieß also auf ein aufnahmebereites, künstlerisch gebildetes und wirtschaftlich potentes Publikum, hatte aber auf der anderen Seite gegen eine große Konkurrenz zu arbeiten. Er erwarb auf Anraten seines alten Lehrmeisters Dominal die Firma des kürzlich verstorbenen Juweliers und Hofgraveurs Max Gube (1849-1904). Das Wertvollste, das er dadurch erhielt, war die Kundenliste des Künstlers.

Der ersten Medaille, die er in München schuf, bestellt von der Brauereifamilie Pschorr und gewidmet der Errichtung des Monuments für Kaiser Ludwig den Bayer, hat er später die Opus-Nummer 1 gegeben, obwohl er auch vorher schon Medaillen hergestellt hatte. Diese Medaille konnte an Museen und Sammler verkauft werden; der Erfolg dieser Medaille bestärkte ihn auf seinem weiteren Weg. Der Anfang war schwer, aber nach und nach erarbeitete er sich die richtigen künstlerischen und geschäftlichen Beziehungen. Dabei war die Mitgliedschaft in der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft seit 1905 von eminenter Wichtigkeit. Deren Vorsitzender, der bayerische Verkehrsminister Heinrich von Frauendorfer (1855-1921), ein großer Freund der Medaillenkunst, stellte jeweils die neuesten Goetz-Kreationen auf den monatlichen Treffen der Gesellschaft vor, so dass sie einem größeren Kreis bekannt wurden.

Für eine Medaille auf die Deutsche Bäckerei-Ausstellung 1905 in München, ausgerichtet vom Central-Verband Deutscher Bäcker-Innungen “Germania”, saß ihm deren Protektor Prinz Ludwig von Bayern (1831-1920, der spätere König Ludwig III.) Modell. Auch dies vergrößerte seine Reputation und schuf zudem eine Verbindung zum Bayerischen Hauptmünzamt, die in der Folgezeit bis zu seinem Lebensende sehr fruchtbar werden sollte. Das Bayerische Hauptmünzamt fertigte später fast alle seine Gold-, Silber- und Bronze-Prägemedaillen.

1908 bezog er ein Atelier in der Isabellastraße 26 im Stadtteil Maxvorstadt. Seit diesem Jahr war er auch fast jährlich mit seinen Werken im Münchner Glaspalast vertreten, seit 1912 auch als Mitglied der Münchner Künstlervereinigung.

Am 27. April 1912 heiratete er die Münchnerin Margarete Stangl, die er 1907 in einem Konzert kennen gelernt hatte. 1912 kam sein Sohn Guido zur Welt, der ihm später als Künstler nachfolgte. 1916 wurde seine erste Tochter Gertraud Margarete geboren, 1920 die zweite Tochter Brunhilde Karoline.


Ausbildung eines eigenen Stils
Anfangs folgte er ganz der weichen Technik und zarten Modellierung der französischen Medaille, schuf sich aber nach seiner Ankunft in München einen eigenen Stil in vereinfachter kräftiger Formensprache. Er kannte also beide Arten der Medaillenbehandlung, die französische und die münchnerische, und hat auch in beiden Erfolg gehabt. Mit seinem eigenwilligen Oeuvre der Spottmedaillen (ab 1914) stellte er sich jedoch etwas abseits des üblichen Münchner Medaillenstils. Merkmale seiner neuen Formensprache sind ausdrucksstarke Mimik, weiche Linienführung und eine gewisse Theatralik. Zugleich arbeitete er im künstlerischen Umfeld des nach dem Weltkrieg aufkommenden Expressionismus. Viele seiner Porträtmedaillen sind stark an Vorbilder aus der Renaissance angelehnt, seine satirischen Medaillen erinnern demgegenüber an Zeichnungen von Otto Dix (1891-1969) und George Grosz (1893-1959).

Karl Goetz bevorzugte zunächst – wie üblich in der Münchner Medaillenkunst – im Allgemeinen Gussmedaillen, die in kleinerer Auflage als Kunstwerke hergestellt wurden. Das Gussmodell wurde positiv hergestellt und dann in Sandguss gefertigt. Jeder der Güsse war Handarbeit. Porträtmedaillen wurden aus Wachs, Plastilin oder auch aus anderem Modelliermaterial geformt. Goetz fertigte zur weiteren Verbreitung seiner Werke auch Prägemedaillen. Dabei bearbeitete er die Prägestempel auch selbst, die er dann den Prägestätten – zunächst Carl Poellath in Schrobenhausen, dann an das Bayerische Hauptmünzamt – fertig zukommen ließ. So hatte er die letzte Hand am gesamten Produktionsprozess seiner Stücke von der ersten Skizze bis zur fertigen Medaille.

Breitenwirkung und öffentliche Aufmerksamkeit ließen sich mit Gussmedaillen aber nicht erzielen. Wenn er aus dem Medaillenschaffen einen Broterwerb machen wollte, dann musste Goetz öffentlich zu vertreibende Prägemedaillen herstellen, damit sie einen größeren Interessentenkreis erreichen konnten. So hat er dann später von denjenigen seiner großen Gussmedaillen, die einen guten Absatz versprachen, Verkleinerungen angefertigt, die in höherer Auflage geprägt für einen geringeren Preis verkauft werden konnten. Die Verkleinerungen wurden mechanisch mit Reduziermaschinen angefertigt. So konnte der lukrative Medaillenmarkt mit einer Flut von technisch vollendeten Prägemedaillen bedient werden und dazu jeweils große Gussmedaillen für potente Einzelsammler hergestellt werden.

Da die meisten Stücke für den öffentlichen Verkauf in größeren Stückzahlen hergestellt wurden, sind sie auch heute noch im Allgemeinen recht häufig anzutreffen.

Viele Medaillen sind in mehreren Größen und in verschiedenen Metallen angefertigt worden. Das größte Maß in 60 mm war für Bronze- und Silberstücke, das mittlere Maß in 36 mm für Bronze und Silber, das kleine in 21 mm für Gold. Die Gussmedaillen gibt es bis zu 160 mm Größe, aber üblicherweise in 60 mm. Die kleinen Medaillen wurden anfangs im Durchmesser von 40 oder 45 mm geprägt, erst später wurde der Durchmesser von 36 mm gewählt (dies war in der Weimarer Republik die Größe der 5-RM-Stücke).

Mit seinem Gesamtwerk von über 750 Medaillen war er einer der produktivsten Medailleure des 20. Jahrhunderts. Der Erste Weltkrieg und die turbulente Zeit danach waren seine schöpferischste Phase. Seine politisch-satirischen Medaillen bedienten den damaligen Zeitgeschmack und zeigen eine deutsch-patriotische Gesinnung, auch in der Zeit des Nationalsozialismus, doch lagen dem Künstler antisemitische Darstellungen fern. Der Erfolg gab ihm Recht, oft hat er den Nerv der Zeit getroffen. Josef Hackl schrieb 1985 in der Dezemberausgabe des “Numismatischen Nachrichtenblattes”: “Karl Goetz entwickelte und erreichte mit seinen eigenwilligen, markanten und symbolstarken Modellierungen eine Stilrichtung mit ganz persönlicher Note, die ihn heute noch unter den Medailleuren auszeichnet. Viele seiner Medaillen zeigen eine erzählerische Ausdruckskraft und ein feinsinniges Gespür.”

Die Sammlung Park (von Carl Benz)
Es war eine Kuckucksuhr aus dem Schwarzwald, die für Simmons Leigh Park den Grundstein für eine beispiellose Sammlung deutscher Geschichte legte. Seine Mutter hatte diese Uhr im Elternhaus in Raleigh (North Carolina) über der Treppe aufgehängt. Park erzählt, dass er als kleines Kind stets zur vollen Stunde versucht habe, den herausspringenden Kuckuck zu fangen. Die Uhr habe daraufhin häufig repariert werden müssen. Der örtliche Uhrmacher war ein deutscher Einwanderer, der in den Nachkriegsjahren einen kleinen Laden im Stadtzentrum betrieb. Der junge Simmons Leigh war jedes Mal beeindruckt von der Menge an Kuckucksuhren in dem Laden sowie von der Geduld, Güte und Gelassenheit des Uhrmachers. Dieses individuelle Deutschlandbild stand jedoch im Gegensatz zu der in Amerika verbreiteten öffentlichen Meinung. So waren in den USA der 1950er Jahre bedingt durch den gerade zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieg Deutsche oft sehr unbeliebt und wurden auch in Hollywood-Filmen sehr schlecht dargestellt. Das Bild der Kriegsverlierer war dabei in Raleigh nicht unbekannt. Auch North Carolina stand als Konföderierter Staat auf der Seite der Verlierer. Dieser häufig in der politischen Diskussion auftretende Konflikt zwischen öffentlicher Meinung und individueller Erfahrung führte dazu, dass Leigh Park begann, sich mehr und mehr für Geschichte zu interessieren. In der Numismatik fand er die Möglichkeit, für die bewegte Geschichte Deutschlands Belege zu erwerben; er begann, Taler und Reichsmünzen zu sammeln. Durch ein Versehen kaufte er als seine erste Medaille ein Stück von Karl Goetz auf Graf Zeppelin. Die Fähigkeit des Münchner Medailleurs, politische Zusammenhänge auf Medaillen oft mit scharfem Humor darzustellen und mit großem handwerklichem Geschick auszuführen, war von Anfang an faszinierend. Zudem umfasst das Werk von Karl Goetz die bewegtesten Jahre deutscher Geschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1946 und ist durch Gunter Kienast gut dokumentiert. Mehr und mehr legte Park den Fokus seiner Sammelleidenschaft auf diese Medaillen und begann, überall auf der Welt danach zu suchen. Neben Münzen und Medaillen besitzt Leigh Park auch beeindruckende Sammlungen präkolumbianischer Textilien, kolonialer Kunst aus Mexiko sowie deutscher Helme (vornehmlich “Pickelhauben” und Uniformen des Kaiserreichs). Leigh Park verlegte aus beruflichen Gründen seinen Lebensmittelpunkt zunächst nach Santa Fe (New Mexico), wo er an einem Tabakwaren-Unternehmen beteiligt war. Nach dem Verkauf seiner Firma, die unter anderem die bekannte Marke “American Spirit” vertrieb, im Jahre 2001 verließ er die Vereinigten Staaten, zog nach Mexiko und widmete sein Leben seiner Sammelleidenschaft. In den folgenden Jahren baute er eine beispiellose und fast komplette Sammlung an Medaillen von Karl Goetz auf. So umfasst seine Sammlung auch einige offensichtliche Unikate, deren Ursprung sich bis zur Sammlung Böttcher zurückverfolgen lässt.

Die Münzgalerie München wird nun diese Sammlung exklusiv in mehreren Teilen zum Direktverkauf anbieten. Die Aufteilung soll sich dabei am Werk von Karl Goetz orientieren, und wir werden in Teil 1 Medaillen von 1904 bis 1914, in Teil 2 Medaillen zwischen 1914 und 1923, in Teil 3 von 1924 bis 1933 und schließlich im letzten Teil Stücke von 1933-1946 anbieten. Wir möchten uns hierbei noch einmal ganz herzlich beim Sammler Simmons Leigh Park für sein Vertrauen bedanken und betrachten es als große Ehre, seine großartige Sammlung unseren Kunden anbieten zu können. Zudem möchten wir uns bei Sebastian Mennell bedanken, der bei diesem Verkauf als Vermittler aufgetreten ist.

Die Medaillen repräsentieren die erste Phase im Schaffen des Künstlers. Wir haben entsprechende Werke aus der Zeit von 1904 bis 1914 ausgewählt, haben uns bei der Auswahl jedoch nicht sklavisch an Kienast-Nummern oder Jahreszahlen gehalten, sondern auch stilistische Merkmale miteinbezogen. Das Angebot ist weder nach Kienast-Nummern noch nach Jahreszahlen sortiert, sondern wie bei unseren Intermünz-Kurieren üblich nach Ort bzw. Thema.